Unweigerlich denkt man bei den ersten Klängen von "And I remember every kiss" an die Showtreppe großer Fernsehgalas. Jens Lekman, Urheber so feinsinniger Albumtitel wie "When I said I wanted to be your dog", inszeniert den Auftakt seines großartigen Albums mit Pauken, Geigen und Trompeten im Stile der großen Crooner der letzten Jahrhunderts, doch am Ende versiegen die Geigen im Nichts, bevor "Sipping on the sweet nectar" den Philadelphia-Sound amerikanischer Krimiserien der 70er Jahre imitiert - und verzerrt. Auch hier sind Küsse das Thema: "Do you remember your first kiss?"
Videolink: Jens Lekman "Sipping on the sweet nectar" / youtube
Jens Lekman ist ein eigenartiger Poet. Wo andere Dichter im Angesicht der Ozeanwellen in Verzückung geraten und über Sonnenuntergänge dichten, textet er in entwaffnender Schlichtheit: "I took my sister to the ocean // but the ocean made me feel stupid". Anschließend umgarnt er seine - leider lesbische - Freundin ("A postcard to Nina"), und man versteht: Der opulente Einstieg war nur Fake, mit dem man ihm auf den Leim ging.
"Night falls over Kortedala" wurde nicht etwa nach einer malerischen Seenlandschaft benannt, sondern nach einem ziemlich unspektakulären, manche meinen: tristen - Vorort von Göteborg, doch genau die Banalität des Orts ist es, die Lekman in seiner Musik einfängt. "I'm leaving you because I don't love you" - nüchterner kann man ein Beziehungsende kaum beschreiben, und die betonte Larmoyanz scheint Lekmans bevorzugte Haltung zu sein.
Doch schon geht man ihm erneut in die Falle, denn unvermittelt wird Jens Lekman ernst, wie in "Shirin". Zunächst zeichnet er eine romantische Affäre beim Haareschneiden: "When Shirin cuts my hair // it's like a love affair ...", doch dann offenbart der Song plötzlich die ganze Geschichte der Frisörin aus dem Irak: "She tells me stories from the war in Iraq cause they were there ... // Shirin puts my head to the side // but I can see a tear in her eyes ..."
"Night falls over Kortedala" galt nicht wenigen Rezensenten als popmusikalisches Meisterstück, und tatsächlich bescherte es dem Göteborger Songwriter weltweite Aufmerksamkeit. Jetzt, im Sommer 2009, tourt er damit sogar durch Brasilien, wo man seinen Samba-unterlegten Song "Into eternity" sicherlich besonders feiern wird - denn nicht nur textlich, sondern musikalisch ist man bei Jens Lekman vor keiner Überraschung sicher.