Isländische
Musiker haben bislang vor allem mit ihren bizarren Klanglandschaften
Aufmerksamkeit erregt. Seltsam, fremdartig und unzugänglich erscheint
bisweilen, was den Weg über den Nordatlantik nach Kontinentaleuropa
findet: Björk, Sigur Rós, Múm, Emiliana Torrini.
Das
es auch anders geht, zeigen Arnar Gudjonsson (Gesang, Gitarre), Arnar
Olafsson (Gitarre), Hallur Hallson (Bass) und Bjarni Grimsson (Schlagzeug)
aus Reykjavik: Mit ihrer Band "Leaves" sind sie nicht nur
gleich beim Major-Label WEA untergekommen, sondern haben auch ein
Album veröffentlicht, das durch die klare und harmonische Schönheit
seiner Soundstrukturen besticht.
"Breathe",
so der Titel des bemerkenswerten Debüts, ist ein außerordentlich
starkes Album, Leaves präsentieren darauf ihre eigene Vorstellung
zeitgemäßen Alternative-Rocks, der bei aller harmonischer
Eingängigkeit nicht auf Tiefgang verzichten mag. Gekonnt umschiffen
sie die Klippen des Britpop ebenso wie die seichten Gewässer
des Mainstreams.
Die
schwelgenden Melodien, zum Teil um Streicher, Keyboards und Klavier
bereichert, offenbaren eine Vielschichtigkeit, wie man sie in der
aktuellen Popszenerie nur selten zu hören bekommt.
Das
Auffällige an den Album-Titeln ist dabei ihre Unauffälligkeit:
Die Songs wirken auch ohne große dramaturgische Kunstgriffe,
verzichten auf durchsichtige Effekthascherei, manchmal reicht schon
eine besonders gelungene Gesangsharmonie, ein ausladendes Gitarrenintro,
ein wogender Streichersatz, die Weite in der Stimme von Sänger
Arnar Gudjonsson, um die nötige atmosphärische Dichte dingfest
zu machen.
Fazit:
Wer ein Faible für Hand gearbeiteten, authentischen und durchdachten
Pop abseits modischer Kurzlebigkeit hat, dabei trotz harmonischer
Gefälligkeit nicht auf die Tiefenschärfe verzichten möchte,
für den sind die vier Isländer allererste Wahl.
"Megastars
in der Warteschleife", schrieb der britische Evening Standard
über Leaves. Nur: Warum noch warten ?
Michael
Frost, 31. August 2002