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Sonnengesang


Es muss eine einsame Reise gewesen sein, die Rodrigo Leão unternahm. Ein Paar Kopfhörer, ein Laptop, ein kleines Keyboard, das war das Gepäck, mit dem er sich auf den Weg machte: nach Goa, Spanien, Italien, New York - und schließlich in seine portugiesische Heimat.

Wer jedoch erwartet, das Reisetagebuch enthalte die Sounds und Rhythmen seiner Stationen, irrt gewaltig. Leão hört nicht seine Umgebung ab, sondern lauscht gewissermaßen in sich selbst hinein. Seine Kompositionen sind die Resonanz seines Befindens: melancholisch, wehmütig, suchend, hoffnungsvoll.

Seine Kompositionen, in der Mehrzahl Instrumentalstücke, gelten den einen als "Ambient", den anderen als "elektronische Kammermusik", und immer klingen sie, als würden sie einen imaginären Film untermalen - doch auch dessen Bilder entstehen überhaupt erst beim Hören, besser: Betrachten, dieser lautmalerischen Musik.

"A mãe", in Portugal bereits im Vorjahr erschienen, knüpft nahtlos an Leãos vorige Arbeiten an, darunter die auch hier vorgestellten Alben "Alma mater" und "Cinema". "A mãe", zu Deutsch "die Mutter", ist eine Hommage an die Sonne, deren Foto Cover und Booklet zieren. "This light holds so many colours" heißt eins der berührenden Stücke, denen Stuart Staples (Tindersticks) seine Stimme lieh, und auch die Sonne wird auf den Bildern in unterschiedlichen Farben gezeigt.

Staples ist nicht der einzige Beweis für Leãs Interesse an charismatischen Popmusik-Stimmen. Schon für "Cinema" hatte er so unterschiedliche Sängerinnen wie Beth Gibbons (Portishead), Helena Noguerra und Rosa Passos engagiert. Auf "A Mãe" ist die zu seinem "Cinema Ensemble" gehörende Ana Vieira die einzige Frau, doch neben Stuart Staples kommen mit Neil Hannon (Divine Comedy) und dem argentinischen Tango-Interpreten Daniel Melingo zwei männliche Gesangsstimmen dazu - soweit man von Gesang sprechen kann: Der herbe Bass von Melingo ist eher Beschwörung denn musikalischer Vortrag.

Raue und kantige Töne wie diese wünschte man sich weitere, doch "A Mãe" sucht vor allem die Harmonie des "Cinema Ensemble", ergeht sich in erhabenen Klanglandschaften, wogenden Walzern und zartem Schmelz - manchmal so viel, dass die Atmosphäre fast ins Musicalhafte gleitet - abgleitet.

So mäandert Leãos Sonnengesang mitunter etwas ziellos durch die Gefilde verschiedener Genres, und so recht will sich - anders als früher - das Thema nicht wirklich erschließen, auch wenn er sich alle Mühe gibt, die Stücke zwischen "Histórias" und "O Futuro" mit großer Präsenz zu füllen. Vielleicht hätte es dem Album doch gut getan, den einen oder anderen direkten Einfluss seiner Reiseetappen zuzulassen.

 

© Michael Frost, 25.05.2010

 


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