Sie war nicht untätig, aber seit ihrem letzten regulären Studioalbum sind acht Jahre vergangen. Auf "Invincible summer" folgt nun "Watershed", und allein der zeitliche Abstand zwischen beiden Produktionen verbietet es, Vergleiche zu ziehen. Statt dessen sollte von einer Weiterentwicklung gesprochen werden, vielleicht sogar von einer erstaunlichen Emanzipation.
K.D. Lang, die ihre Karriere als Schrecken des amerikanischen Country-Establishments begann, indem sie sich beherzt dieser letzten Domäne der Männlichkeit vorwagte und dem Genre eine weibliche Note hinzufügte. Erst nach ihrem großartigen Erfolg mussten auch die Gralshüter der Westerngitarre erkennen, wie gut sie wirklich war. Damit gaben sie der Kanadierin auch die Chance, sich weiter zu entwickeln. Auf "Invincible Summer" arbeitete sie mit dem Ambient-Produzenten William Orbit zusammen, und mit "Watershed" erfolgt nun eine weitere Neubestimmung.
"Coming home" ist vielleicht der Schlüsseltitel des Albums. Er bedient sich noch der typischen Country-Atmosphäre, doch im Vordergrund stehen Folk- und Pop-Balladen, in denen sie sogar ein komplettes, sehr breitwandig arrangiertes Streicher-Ensemble einsetzt ("Thread", "Upstream"). Alles klingt erstaunlich direkt und vertraut, als sei die Interpretin tatsächlich zuhause angekommen - und vollkommen eins mit ihrer Musik.
Die fast "klassische" Ausrichtung des Albums tut seiner unaufgeregten Atmosphäre ungemein gut, fast scheint es, als lehnten sich die Lieder an das Great American Songbook an, an unvergängliche Melodien wie "Gloomy Sunday" oder Cole Porters "So in love", das sie schon Anfang der 1990er Jahre für ein Benefiz-Album ("Red Hot + Blue") der AIDS-Hilfe aufgenommen hatte. Indem sie sich jeder musikalischen Modeerscheinung verweigert, gelingt ihr größtmögliche Authentizität: Sie setzt einen eigenen Standard, weit entfernt von Kitsch oder Pathos bleibt sie leise, unaufgeregt und unaufdringlich.
"Close your eyes" wirkt wie eine direkte Aufforderung, der man nur zu gerne nachkommt, und doch meint man, die Musik sehen zu können: So bildlich sind die Arrangements, so greifbar und direkt wirkt K.D. Langs warme, niemals laute Stimme - ein Album, das man am besten an einem Sonntagmorgen hört, unter einer warmen Decke.
Sie können das Klischee perfekt machen, indem Sie für ein Kaminfeuer sorgen, die kultivierte Form des Lagerfeuers. In diesem Fall würde sich der Kreis zur Countrymusik wieder schließen. Doch im Kreis mag K.D. Lang sich hörbar nicht bewegen. Sie drängt nach vorn, und sie hat dabei die Cowboy-Welt hinter sich gelassen. Doch die ist sowieso von gestern.
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Michael Frost, 02.02.2008