"Public 
                    Jazz Lounge" ist ein Programm, und da ist Vorsicht geboten: 
                    Das klingt zu schnell nach dem populären Ruf "raus 
                    aus der Nische", easy-listening, Jazz als Barmusik, als 
                    Hintergrundgetingel für Salongeplauder. Joo Kraus, einer 
                    der wichtigen jüngeren Jazzmusiker der deutschen Szene, 
                    hat jahrelang in der Hip-Hop-Formation Tab Two gespielt, war 
                    vorher in die Jazz-Rockgruppe Kraan eingestiegen, ist gelegentlich 
                    bei De Phazz als Gasttrompeter aufgetreten und hat zuletzt 
                    mit Altmeister Wolfgang Schmid (Special Kick) gearbeitet. 
                    
                  Bei 
                    soviel Erfahrung mit der Fusion von Jazz, Rap, Funk und Rock 
                    darf erwartet werden, dass der programmatische Titel "Public 
                    Jazz Lounge", den Joo Kraus seinem jetzt erschienenen 
                    Album gegeben hat, nicht auf konventionelle und flache Wohlfühlsounds 
                    zielt. 
                  Zwar 
                    ist die Grenze durchlässig und mindestens in einer der 
                    13 Tracks - "Love is all we need" als süffiger 
                    DiscoJazz - überschritten, aber im Kern geht Joo Kraus 
                    eine andere Richtung: Er verbindet den geschmeidigen, brillianten 
                    und gelegentlich geradezu innigen Ton seiner Trompetensoli 
                    mit großflächig und farbig-differenziert arrangierten 
                    Bläsersätzen, die Ralf Schmid der SWR Bigband auf 
                    den Leib geschrieben hat. 
                  Das 
                    beginnt mit einer Hommage an den Trompeter Freddie Hubbard, 
                    mit Hubbards Titel "Red Clay", in dem nicht nur 
                    Soli und Band kunstvoll verschränkt werden, sondern der 
                    Musik ein Rap-Gesang (Lyrics: Ian Cumming) unterlegt wird, 
                    eine raue, treibende Stimme, die den Bogen schlägt zwischen 
                    Jazz-Standards und ganz aktuellen Sounds. Und so sehr darin 
                    auch die Salonmusik mitklingt (es darf geredet werden), diese 
                    Mischung ist nicht nur angenehm hörenswert, sie ist raffiniert. 
                    
                  Joo 
                    Kraus mixt wenige Eigenkompositionen mit klassischen Titeln 
                    aus der Jazz und Rock-Geschichte, darunter so bekannte Nummern 
                    wie das Traditional "Scarborough Fair", Joe Zawinuls 
                    "Birdland" oder Björks "Venus as a boy". 
                    Björks sprödes Eingangsthema wird in eine Cool-Jazz-Sequenz 
                    verwandelt, schon das eine raffinierte Metamorphose. In "Scarborough 
                    Fair" singt Joo Kraus zuerst rappend die Strophen herunter, 
                    um dann mit einem Trompetensolo zu starten, in das sich die 
                    Big Band bis zum großen Finale furios einmischt. 
                  Mitreißend 
                    groovende Funk-Rhythmen kennzeichnen viele der Nummern, insbesondere 
                    den Earth, Wind&Fire-Hit "Getaway" oder die 
                    Eigenkomposition "back to the basics", ein Titel, 
                    mit dem Joo Kraus auch verrät, wohin es ihn zieht: Denn 
                    seine Basics sind die klassischen Trompetensoli von Freddie 
                    Hubbard und Miles Davis, es ist die Verbindung von virtuosem 
                    Glanz und Wärme, aber Basics heißt auch jene "kontrollierte 
                    Freiheit", von der Miles Davis gesprochen hat, die sich 
                    in den traditionellen Bahnen des tonalen Jazz bewegt. 
                  Joo 
                    Kraus entwickelt hier einen kräftigen, tänzerischen, 
                    swingenden Sound, der gut unterhalten will, der in die Beine 
                    fährt, und der mit seinem fast durchgehend unterlegten 
                    Rap eine überraschende Frische erhält. "Public 
                    Jazz Lounge" ist Salonmusik im besten Sinn, populär 
                    ja, aber in den vorzüglichen Arrangements nicht süffig 
                    oder verklebt, sondern stets durchsichtig und klar. Die letzte 
                    Nummer "one moment in time" könnte ein Versprechen 
                    sein: Es ist ein leises Wiegenlied, es ist Joo Krauses "round 
                    midnight", es ist relaxed und angespannt zugleich, zwar 
                    ist der Musiker noch nicht bei Miles Davis angekommen, aber 
                    die Richtung stimmt. 
                  © 
                    Hans Happel, 22. November 2003