Kennen
Sie Pannonien? Nein? Pannonische Musik womöglich? Auch nicht? Nun,
vielleicht ist uns diese Region mit ihrer Kultur näher als wir
meinen. Denn die Provinz Pannonien umfasste zu Zeiten des Römischen
Reichs das westliche Ungarn, das Burgenland, Teile des Wiener Beckens,
das bis nach Tschechien reicht, sowei die angrenzenden Regionen Sloweniens
und Kroatiens. Somit lag Pannonien direkt an der Grenze zwischen dem
Balkan und Zentraleuropa.
Die
Musik von Boris Kovac, der mit seiner Begleitgruppe "La Campanella"
auf der gemeinsamen CD eine Rundreise zwischen Pannonien und dem Mittelmeer
unternimmt, wäre damit immerhin schon einmal geografisch verortet,
doch auch die kulturellen Hintergründe werden verständlich.
Denn
Boris Kovac agiert mit seiner Musik exakt in dem beschriebenen Grenzbereich.
Seine Musiker, die aus verschiedenen Regionen zwischen Ungarn und
Mazedonien stammen, zelebrieren die kulturelle Vielfalt zwischen Adria
und Karparten. Die Melancholie der Geigen, das elegische Akkordeon,
das schmachtende Saxophon - man sollte ihre Klänge sicher nicht
als Traurigkeit missverstehen, sondern als Zeichen der Besinnung.
Denn in der Betonung grenzüberschreitender Gemeinsamkeiten liegt
ein deutlich erkennbares Plädoyer für die Versöhnung
einer Region, deren Bewohner vor kaum zehn Jahren einen unerbittlichen
Krieg gegeneinander führten.
Boris
Kovac zeigt, dass es sich hierbei um einen brutal ausgetragenen Konflikt
innerhalb einer Familie gehandelt haben muss. Denn trotz der Differenz
politischer, kultureller und religiöser Traditionen gibt es ein
verbindendes Glied, das auf Landkarten nicht mehr sichtbar ist, statt
dessen aber gehört werden kann: "Mit diesem Projekt werfen
wir die Schmerzen, die der Balkan uns allen in den vergangenen Jahren
zugefügt hat, hinter uns."
©
Michael Frost, 14.05.2005