Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Die 'big city'
ist ein Monster

von Hans Happel


"It´s the city" heißt das neue album der Hamburger Jazz-Sängerin und Songwriterin Ulita Knaus, und die Stadt, die sie besingt, setzt sie unter Druck, sieht sie mit kritischen Augen an, zwingt sie kreativ zu sein, immer oben zu sein, zwingt sie sich zu vergewissern, dass Erfolg nur von kurzer Dauer ist, da mögen die Big City Lights eine Oase sein, zugleich sind sie "a total fake", und dennoch: "back on the streets you are heading for another sound".

Ulita Knaus beschwört den Sound und den Rhythmus einer imaginären Stadt, in der sich Mahalia Jackson und Ella Fitzgerald, Diana Krall und Rebecca Bakken begegnen, in der die Spuren von Spiritual und Soul die musikalische Textur ebenso einfärben wie Latin Grooves, urbaner Sprechgesang oder eingängiger Balladen-Stil.

Aus dieser Stimmenvielfalt entwickelt Ulita Knaus ihre eigene Schnittmenge, mit einer unverkennbar eigenen Stimme, die Wärme und eine leicht belegte Dunkelheit ausstrahlt, die in den Phrasierungen überaus elegant und locker vom swingenden Geplauder zum schweren Soul wechselt.

Dabei stützt sie sich in vielen der 12 zusammen mit ihrem Pianisten und Arrangeur Mischa Schumann geschriebenen Songs auf einen Chor (vier guest vocalists), der für das richtige soul-feeling sorgt, der ein schweres süffiges Grundgerüst liefert, auf dem die Stimme der Solistin tanzen kann. Vor allem aber stützt sie sich auf ihre langjährigen Band-Mitglieder, die ihre Stadtgeschichten kongenial begleiten, diskret, zurückhaltend und in wenigen, richtigen Momenten nach vorn ziehend.

Mischa Schumann am Steinway, an Fender Rhodes, Wurlitzer und Synthesizer beherrscht diese Kunst des Auftauchens aus dem Hintergrund meisterhaft: Er spielt mit der Songmelodie, er bremst mit leichtem Anschlag das Tempo, er verwandelt Thema und Tonart, um bltzschnell wieder zurückzutauchen in den Sog des Songs. Gerold Donker am E- und am akustischen Bass sorgt für den swindenden Hintergrund, Drummer Heinz Lichius ist zugleich gewitzter Percussionist, dessen differenzierte Klänge die Stadtgeschichten dieser Sängerin aufrauen und bebildern.

Ulita Knaus erzählt leichte und harte Geschichten, in den Strassen der großen Stadt warten im Dunkel der mondhellen Nacht die heißen Liebhaber, in der Stadt blühen die weltweiten Ideen, und hier blühen die Bäume vor dem Fenster, aus dem die Songwriterin hinausschaut, während sie am PC sitzt, um mit ihre message ins weltweite netz zu fliegen.

Mit ironischem Abstand besingt die Städtebewohnerin diese Öffnung ins "world wide" Netz, und dabei ist sie sich bewußt, dass der Baum vor dem eigenen Fenster mindestens so viel Wahrheit besitzt wie die weite virtuelle Welt, denn er wird bleiben, er nimmt die große Vernetzung gar nicht wahr, die "our spirits" fliegen lässt zu "new concepts, big ideas, one culture". Die neue Big City, von der Ulita Knaus erzählt, ist auch ein Monster, eine Schimäre, aber etwas bleibt so wie der Baum vor dem Fenster: die Musik, die Wurzeln des Jazz und seine vielen Verwandlungen, und es bleiben die kinder, die in dieser Welt weiter leben.

Ein Willkommenslied hat Ulita Knaus dem eigenen Kind gewidmet, "welcome new life, I welcome you in my small world" heißt es darin zum Abschluß. My small world - das ist die einzige Gewissheit in der überhitzten schnellen virtuellen City. "it´s the city" - ein konzeptalbum? Vor allem sehr gelungene Musik, sehr schöne Songs.


Ulita Knaus: It's the City
ist ein Beitrag von Hans Happel
© Hans Happel, Juli 2007


[Archiv] [Up]