Leise Alben haben es schwerer. Selbst wenn man ihnen die volle Aufmerksamkeit schenken möchte: Irgendwann verliert man sich in Tagträumen und Gedanken. Die Musik dringt womöglich ins Unterbewusste, doch in der direkten Wahrnehmung gerät sie uns aus dem Blick. Es dauert also seine Zeit, bis man sich der ganzen Schönheit eines Albums wirklich bewusst wird. "Declaration of dependence" ist so ein Album.
Es ist nach fünfjähriger Pause das dritte gemeinsame Album von Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe aus Bergen, Norwegens zweitgrößter Stadt. Das Duo hatte 2002 mit seinem programmatischen Debütalbum "Quiet is the new loud" eine neue Welle akustischer Leisetreter, bald als "New Acoustic" bezeichnet, losgetreten. Dem zweiten Album folgte dann die vorübergehende Trennung. Eirik widmete sich Frau, Kind und der Ausbildung zum Psychologen, Erlend zog nach Berlin und basteltete an seinem elektronischen Seitenprojekt "The Whitest Boy Alive".
Inzwischen leben beide wieder in Bergen und scheinen auch sonst ganz bei sich angekommen zu sein. "So we meet again // after several years // several years of separation // Moving on // moving around // Did we spent this time chasing the other's tail?" fragen sie in "Boat behind", einem der auch musikalisch schönsten Titel des neuen Albums.
Videolink: Kings of Convenience "Boat behind" / youtube
Auch als "Ü30" sind die beiden Musiker sich selbst und einander treu geblieben. Ihre Lieder handeln von Freundschaft und Beziehungen, allerdings niemals explizit, so dass man sie sowohl auf ihre jeweiligen Partnerschaften als auch auf die gegenseitige Verbundenheit beziehen kann: "Declaration of dependence".
Den Albumtitel mag man also durchaus als privates Bekenntnis einer Freundschaft verstehen als selbstverständlich auch als politisches Bekenntnis. Denn im Unterschied zur Zeit der historischen Unabhängigkeitserklärung der USA ist das aktuelle Thema die gegenseitige Abhängigkeit von Staaten und Gesellschaften. Inwieweit die Einsicht in die Abhängigkeit wächst, wird man dieser Tage beim Kopenhagener Klimagipfel beobachten können.
Dennoch: Natürlich sind die beiden "Kings of Convenience" - wie schon ihr Bandname sagt - sicher keine pathetischen Protestsänger. Und auch mit Simon & Garfunkel mögen sie weiterhin nicht verglichen werden. Eirik und Erlend betonen vor allem die Musikalität ihrer Songs. Nicht nur, dass beide sich die Gesangsparts teilen, beide spielen auch Gitarre und achten sehr darauf, dass der Esprit ihres Spiels nicht zu sehr in den Hintergrund gerät. So war es sicherlich eine hervorragende Idee, sich von dem italienischen Kontrabassisten Davide Bertolini und dem deutschen Tobias Hett (Viola) bei den Arrangements unterstützen zu lassen. Als Quartett entfalten die Kings of Convenience geradezu ausgelassene Spielfreude und Originalität, die auch auf ihrer gerade zu Ende gegangenen Europatournee zu bestaunen war.
"What we built is bigger than the sum of two" singen sie im Auftaktlied "24-25", und das mag man ihnen unversehens glauben, zumal die beiden der Überheblichkeit und Arroganz völlig unverdächtig sind. Was die Kings of Convenience wirklich groß macht, ist die weiterhin einzigartige Fokussierung auf das Wesentliche. Sie verzichten auf jede Effekthascherei und schaffen mit reduzierten Mittel eine symbiotische Beziehung aus Musik, Text - und Musiker. "Second to numb" ist in dieser Hinsicht der wohl ausdrucksstärkste Titel des Albums, hier erreichen Eirik und Erlend einen beklommen machenden Grad an Nachdenklichkeit aber auch an Klarheit der Formulierung ihrer Gedanken. Lieder wie dieses lassen das Album wachsen, führen dazu, dass man es immer wieder hört, dass es mehr und mehr Teil des eigenen Bewusstseins wird. "Bigger than the sum of two" - das bezieht das Publikum in die Rechnung mit ein.