Es
gibt wohl nur eine Handvoll afrikanischer Sängerinnen, die ähnlich
erfolgreich sind wie Angelique Kidjo. Die charismatische Interpretin
aus Benin gilt denn auch als Inbegriff und Vorreiterin afrikanischer
Popmusik, weil sie es verstand, die traditionelle Rhythmik ihrer Heimat
mit internationalen Strömungen zu verknüpfen.
Rückwärtsgewandte
Folklore war nie ihr Thema. Angelique Kidjo widmete sich lieber den
Einflüssen, die etwa die aus Westafrika verschleppten Sklaven
auf die Musik in Brasilien oder der Karibik hinterließen, und
sie spürte den aktuellen Trends der Migrantenviertel europäischer
Metropolen oder der afroamerikanischen Community in den USA nach -
und verarbeitete ihre Erkenntnisse in ihrem ganz speziellen, bald
"kidjo-typischem" Sound.
Diese
Neugier machte sie zu einer der vielseitigsten Künstlerinnen
überhaupt, und jedes neue Album geriet zu einer spannenden Reise
durch Länder und Kulturen. Nun kehrt sie allerdings nach Benin
zurück. "Djin Djin" ist in jeder Hinsicht ein afrikanisches
Album: rhythmisch, energetisch, überschwänglich, reich an
Instrumenten und ausgelassener Lebensfreude - und ungemein gastfreundlich
und aufgeschlossen.
Denn
Angelique Kidjo brachte zahlreiche Gastinterpretin mit der Musik Benins
zusammen, die "Djin Djin" fast zu einem Duett-Album machen:
Alicia Keys und Gitarrist Branford Marsalis begleiten sie im Titelsong,
mit Joss Stones liefert sie sich ein feuriges Soul-Gefecht, Peter
Gabriel gibt sich im Stück "Salala" die Ehre, Ziggy
Marley erinnert an die Verbindung zwischen afrikanischer Musik und
Reggae, und das gefeierte Duo Amadou & Mariam gehört praktisch
zur großen Weltmusik-Familie - im letzten Jahr sang es sogar
mit Herbert Grönemeyer die Hymne zur Fußball-WM.
Mit
der Deutschen Joy Denalane und Carmen Consoli aus Italien sind zwei
weitere beeindruckende Stimmen mit von der Partie, die den weltumspannenden
Charakter dieses afrikanischen Albums unterstreichen, ihm Flair, Energie
und Temperament geben. Lediglich Josh Grobans Gesang (gemeinsam mit
Kidjo und Carlos Santana singt er eine Coverversion von Sades "Pearls")
gerät zu pathetisch und aufgesetzt.
"Djin
djin" enthält übrigens auch das vielleicht ungewöhnlichste
Experiment, das Angelique Kidjo bislang unternahm. Der Song "Lonlon"
nämlich entpuppt sich als gesungene A cappella-Bearbeitung von
Maurice Ravels weltberühmten "Bolero" - in dieser "afrikanisierten"
Version wohl eine der ungewöhnlichsten Fassungen, die dieser
Klassiker der Orchestermusik des frühen 20. Jahrhunderts jemals
erfahren hat - andererseits aber ein "typischer Kidjo" entsprechend
ihrer Philosophie des Austauschs zwischen den Kulturen.
©
Michael Frost, 09.06.2007