Es
ist genau diese Art Popmusik, die es in Deutschland nie gab, nicht gibt
und wohl auch nicht geben wird: eine frappierende Mischung aus Pop,
Chanson und Folk - einerseits mit gestandener Erfahrung, doch gleichzeitig
frisch und überraschend jugendlich - so wie Sandrine Kiberlain
selbst. Die Sängerin aus Paris ist eigentlich Schauspielerin, und
als solche ist sie in Frankreich seit Jahren eine feste Größe.
Einen ihrer ersten Leinwandauftritte hatte sie bereits 1990 in "Cyrano
de Bergerac" an der Seite von Gérard Depardieu.
So
erfahren sie inzwischen als Schauspielerin ist - als Sängerin
betritt Sandrine Kiberlain mit ihrem ersten Album "Manquait plus
qu'ça" Neuland. Zur Seite stehen ihr allerdings renommierte
Kollegen: Alain Souchon etwa, einer der großen Namen der Chanson-Szene,
sowie dessen Sohn Pierre, der bislang zwar auch nur ein Album unter
eigenem Namen veröffentlichte, daneben jedoch mit vielen anderen
Künstlern arbeitete - so wie nun eben mit Sandrine Kiberlain.
Ihre
Texte unterstützen Vater und Sohn Souchon mit leisen und sehr
verspielten Harmonien und Arrangements, die sie gezielt als Kontrast
zur klaren und schnörkellosen Stimme Kiberlains aufbauen. Damit
erleichtern sie den Zuhörern den Zugang zu den assoziativen Texten
der Chansons.
Denn
Sandrine Kiberlain deutet in ihren Liedern vieles nur an, was beim
Hören weiter gedacht werden muss. Ihre Verse begrenzen sich auf
das Wesentliche, wirken reduziert, bisweilen sogar knapp, und entfalten
dennoch - oder gerade deshalb - eine intensive Wirkung. "Loin
derrière" etwa, der wunderbar gelungene Opener, besticht
gerade durch seine Verkürzung: "On s'est eu // on s'est
plu // on a cru // qu'on pouvait // sans aller // tout quitter //
tout laisser ..."
Wie
mag es aussehen, wenn man alles hinter sich lässt, ohne zu gehen?
Sandrine Kiberlain lässt die Antwort offen. Sie selbst hat wohl
nicht wirklich alles aufgegeben, um sich fortan nur noch der Musik
zu widmen. Zwar war "Manquait plus qu'ça" in Frankreich
über die Maßen erfolgreich, aber die Schauspielerei wird
sie dafür sicher nicht an den Nagel hängen. Aber der gelegentliche
Wechsel hält jung, denn nachdem sie bereits 1995 einen Preis
als beste Nachwuchsschauspielerin erhielt (für ihre Rolle in
"En avoir ou pas"), winkt nun, zehn Jahre später, vielleicht
ein "Nachwuchs"-Preis - diesmal für die Sängerin.
©
Michael Frost, 23.05.2006