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Sonntagmorgenalbum


Die Überschrift sagt schon alles über das bei Blue Note erschienene Album „Breakfast on the morning tram“ von Stacey Kent. Es enthält eine wunderschöne, einfühlsam interpretierte und instrumentierte Sammlung von Stücken, angelehnt an das Great American Songbook, diese famosen Liste von Evergreens des 20. Jahrhunderts, bei denen man nie eine genaue Grenze zwischen Jazz, Folk und Crooner-Pop ziehen kann.

Stacey Kent vermischt einige „Originale“, darunter „Hard hearted Hannah“ (Ella Fitzgerald, Ray Charles u.a.), „So many stars“ (Sergio Mendes) und zum Abschluss „What a wonderful world“ (Louis Armstrong) mit Songs, die ihre engsten Kooperationspartner, der Autor Kazuo Ishiguro und Saxophonist Jim Tomlinson (gleichzeitig ihr Ehemann) für sie schrieben.

Schon der erste Titel, „The Ice Hotel“, gibt die Richtung vor: Karibik, Barbados, singt Kent, „alles ausgebucht“, also: „Let's you and me go away // to The Ice Hotel“. Das völlig aus Eis und Schnee gebaute Hotel, das jeden Winter neu im schwedischen Norrland entsteht, ist für Stacey Kent Symbol für Schönheit, Stille und eine kristalline Klarheit, die auch ihre Musik in sich trägt. Während die Welt in großer Hektik sich an überfüllten Stränden drängt, liebt sie die Zurückgezogenheit: „I don't think we're quite ready // For Hawaï or Tahiti“.

Zu der melancholischen Atmosphäre passt auch die vielleicht schönste, weil überraschendste Coverversion des Albums: „Landslide“, eine wehmütige Ballade, mit der Stevie Nicks 1975 ihre Karriere als Sängerin von Fleetwood Mac begann. Stacey Kent interpretiert ihre Fassung als Hommage, verändert sie mit allem nötigen Respekt, und dennoch mit erkennbar eigenem Ausdruck und Timbre, das den starken Charakter der Interpretin jederzeit erkennbar werden lässt.

Diese Eigenständigkeit bewahrt sie sich selbst in den schwierigen Adaptionen von zwei Serge Gainsbourg-Chansons, die sie auf Französisch singt: „Ces p'tits riens“ und „La saison des pluies“. Von Jane Birkin, die ja gemeinhin eine Art Monopol auf Gainsbourg-Interpretationen hält, unterscheidet sich Stacey Kent recht deutlich. Im Gegensatz zu Birkin, die meist mit vollem Personality-Einsatz in die Auseinandersetzung mit den Chansons geht, tritt Kent dezent einen Schritt zurück, um sich in ihr hervorragendes, fünfköpfiges Ensemble einzureihen: Graham Harvey (Piano), John Parricelli (Gitarre), Dave Chamberlain (Bass), Matt Skelton (Schlagzeug) und Ehemann Jim Tomlinson (Saxophon).

Und wenn dann noch der ruhige Bossanova-Rhythmus des Baden Powell/Vinicius de Moraes-Songs „Samba saravah“ erklingt, ist die Sonntagmorgenstimmung perfekt. Allein der Albumtitel stört: Kaum vorstellbar nämlich, dass man nach diesem Album wieder in das Alltagsleben eintaucht, um sein Frühstück in der Hektik des Arbeitsweges in der Straßenbahn einzunehmen.


© Michael Frost, 08.12.2007

 

 


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