Lokua Kanza ist vielleicht der überzeugendste Beweis dafür, dass es - anders als in Europa - in Afrika eine tief verwurzelte und gelebte kontinentale Identität gibt, für die nationale Grenzen (die meist von europäischen Kolonialmächten gezogen wurden) nicht von Bedeutung sind. Kanzas Vater stammt aus Zaïre (heute Demokratische Republik Kongo), seine Mutter aus Ruanda. Er wuchs in Kinshasa auf, doch nachdem er (der Legenda nach durch den Besuch eines Konzerts von Miriam Makeba) den Beschluss gefasst hatte, Musiker zu werden, lebte er in verschiedenen Ländern entlang des Golfs von Guinea - bis hinauf zur Elfenbeinküste. Heute, wo Lokua Kanza einer der profiliertesten Musiker Afrikas ist, reicht sein Radius von seinem Geburtsort über seine Wahlheimat Paris bis nach Brasilien.
"Nkolo", sein aktuelles Album, das im April 2010 veröffentlicht wurde, scheint all diese verschiedenen Orte in sich vereinen zu wollen. Die Kalimba bildet den Ausgangspunkt einer musikalischen Reise, die von "Elanga ya muinda" (in Kanzas Muttersprache Lingala) über die französischen Titel "Famille" (wunderschön!) und "On veut du soleil" bis zum portugiesisch gesungenen "Vou ver" reicht. Gerade dieser Titel lässt aufhorchen, denn im Duett mit dem Brasilianer Vander Lee erreicht der Singer/Songwriter Lokua Kanza eine Intensität, die sein außergewöhnliches Charisma unterstreicht.
Denn im Unterschied zu vielen Kollegen bedient Lokua Kanza sich nicht des lauten und schnellen Afrobeats, er verzichtet auch auf den typischen Percussion-Wirbel, sondern wirkt in seiner Vorgehensweise zurückhaltend, behutsam, manchmal fast schüchtern. Er ist der Poet unter den afrikanischen Interpreten, ein leiser Dichter, der in seinen Liedern eine gefühlvolle Einheit von Wort, Stimme, Sprache und Musik bildet.
Dies verbindet ihn dann spätestens mit den Großmeistern der brasilianischen Bossanova, aber auch des französischen Chansons. "Nkolo" wird dadurch Stil bildend - steht es doch für die Öffnung afrikanischer Musiktradition und ein eine neue Ära der Weltmusik, in der eben diese afrikanische Musik nicht mehr folkloristischer Farbtupfer für den angloamerikanischen Mainstream ist, sondern sich ihrerseits selbstbewusst in der globalen Musiklandschaft bewegt.