"Ein
Unzeitgemäßer", sagt ein Freund auf die Frage,
was ihm zu Bert Kaempfert einfalle, und er ergänzt, "sehr
gutes Handwerk". Beides läßt sich nachprüfen
dank einer aufwändig gestalteten Doppel-CD, die jetzt
zum Geburtstag des vor 23 Jahren gestorbenen Hamburger Bandleaders
und Komponisten erscheint, der am 16. Oktober 2003 80 Jahre
alt geworden wäre.
"bert
kaempfert in london" dokumentiert ein einziges Konzert,
das der Meister des Easy-Listening im April 1974 gegeben hat,
und das sorgfältig aufgemachte Booklet verzeichnet nicht
nur alle beteiligten Instumentalisten, sondern berichtet von
diversen Schwierigkeiten mit den in der Mehrzahl britischen
Musikern bei den Proben in einem alten Londoner Kinosaal.
1975
wurden 12 der Titel auf einer LP veröffentlicht ("Live
in London"), die restlichen Bänder blieben liegen,
jetzt sind 25 Titel erschienen, die belegen, was für
einen Triumph Bert Kaempfert in den zwei ausverlauften Vorstellungen
vor jeweils 7000 Gästen feiern konnte. Welcher deutsche
Songwriter kann schon Sätze sagen wie hier Bert Kaempfert
von "L.O.V.E." ("ich schrieb diesen Song für
Nat Kind Cole"), um zugleich hinter einem anderen zurückzutreten:
"Ich bin sicher, Sie wissen, ohne Glenn Miller würden
wir diesen Song nicht kennen".
Er
spricht von "Tuxedo Junction", das er in einem seidenweichen
Orchester-Sound spielt, mit dem er seine Musik zu lasieren
scheint. Dass er eine Reihe von Welthits geschrieben hat,
von wirklichen Evergreens, wird in diesem Konzertmitschnitt
fast beiläufig erinnert: "A Swingin´ Safari"
gehört ebenso dazu wie "Spanish Eyes" oder
"Strangers In The Night".
Kaempfert
war Arrangeur und Bandleader von Weltruf. Frank Sinatra, Al
Martino, Sammy Davis Jr., Dean Martin, Shirley Bassey, Ella
Fitzgerald, Stan Kenton, Duke Ellington oder Count Basie haben
seine Songs eingespielt und berühmt gemacht. Einige der
bisher unveröffentlichten Tracks zeigen den Maestro als
behutsamen Arrangeur von Evergreens anderer Komponisten, "Red
Roses For A Blue Lady" oder "Melancholy Serenade"
gehören zu den schönsten Aufnahmen dieses Konzerts.
Gewiss,
Bert Kaempferts Musik ist easy-listening im Quadrat, und manche
mögen soetwas nur im Auto oder in der Badewanne hören,
aber die hier versammelten Musiker - zu denen der Saxofonist
Herb Geller oder der Trompeter Ack van Rooyen gehören
- geben ihrem Material einen dezent swingenden Unterboden,
der meilenweit entfernt ist von allem Ex-und Hopp-Entertainment,
und in dem sogar abgegriffene Melodien ungewöhnlich fein
klingen.
Das
liegt an Kaempferts Understatement, an der Lässigkeit
seiner Tempi, die für heutige Ohren fast gebremst wirken.
Wer mit den Beatles und den Stones aufgewachsen ist, mußte
diese Art der Tanzmusik als Ohrenschmaus fürs Establishment
damals ablehnen, wird aber spätestens jetzt eingestehen
dürfen, dass sie für bloßes Kaufhaushintergrundgerausche
viel zu schön und zu schade ist.
"Bert
Kaempfert: Live in London"
ist ein Beitrag von Hans Happel für CD-KRITIK.DE
© Hans Happel, 15. Oktober 2003