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Nicht nur nasse
Taschentücher
Gast-Beitrag von Stephan Stöckel


Frauen, die sich ihren Kummer von der Seele weinen, schreiende Kinder, Bombenexplosionen und im Hintergrund des ZDF-Jahresrückblicks säuselt unaufhörlich auf leisen, melancholischen Pianotönen, dieser Refrain, der mir nicht mehr aus dem Sinn gehen will: "It's A Mad World". So wie mir ergeht es derzeit Millionen zwischen Irland und Israel: Kein Lied sorgt momentan für so nasse Taschentücher wie das "Tears-For-Fears"-Cover "Mad World" von Gary Jules und Michael Andrews: Eine wunderschöne Piano-Ballade, die unter die Haut geht und zu Tränen rührt. Gary Jules, der lange Zeit unterschätzte Songwriter aus L.A. hat mehr zu bieten als nur diese eine Ballade.

Mehr als 20 Jahre hat die Komposition aus der Feder des englischen Pop-Duos "Tears For Fears" bereits auf dem Buckel. Mit ihrer eindringlichen Piano-Version verschaffen Gary Jules und sein Partner Michael Andrews den kindlichen Gedanken über die Welt der Erwachsenen die längst verdiente Anerkennung. Doch zugleich machen sie das Lied zum Soundtrack einer von Terror und Gewalt heimgesuchten Welt, in der täglich an einem anderen Ort unseres Planeten Blut vergossen wird. Ein Lied, das nachdenklich stimmt und den Zuhörer immer wieder zu der Frage nach dem "Warum?" bewegt.

Wer auf seinem Album "Trading Snakeoil For Wolftickets" weitere Songs im Stile seines Megahits erwartet, wird enttäuscht sein. All jene, die nicht mit musikalischen Scheuklappen durch die Welt rennen, werden ihre Freude an dem Album haben, wenngleich es die musikalische Offenbarung nicht enthält. Seit rund zehn Jahren nun schon ist die akustische Gitarre zum treuen Begleiter von Gary Jules geworden. Im Vorprogramm alter Heroen wie Todd Rundgren oder Vertreterinnen jüngerer Folk-Pop-Generationen, wie Sheryl Crow, stellte er sein Talent eindrucksvoll unter Beweis.

Gary Jules zieht durch das weiche Timbre seiner Stimme und den unaufgeregten Ton seines Gitarrenspiels in den Bann. Er singt über die klassischen Themen eines Liedermachers, über Glaube, Liebe und Hoffnung, mit denen auch schon Cat Stevens oder Bob Dylan in den 60er und 70er Jahren die Welt zu verändern suchten.

Im Opener "Broke Window" prasselt lautstark die Lagerfeuerromantik, "Umbilical Town" beschert uns eine melancholische Ode für trübe Herbsttage, und der schwungvolle Westcoastrock von "DTLA" macht einfach nur gute Laune. Einziger Wermutstropfen: Im Mittelteil des Albums sehnt man sich nach etwas mehr Differenziertheit im akustischen Spiel des Songschreibers. "Ich hoffe, dass meine Lieder den Zuhörern etwas bedeuten", wünscht sich Gary. Das tun sie - auch trotz des kleinen Mankos. Stephan Stöckel.


"Gary Jules: Trading snakeoil for wolftickets"
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, April 2004

 


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