Frauen,
die sich ihren Kummer von der Seele weinen, schreiende Kinder, Bombenexplosionen
und im Hintergrund des ZDF-Jahresrückblicks säuselt unaufhörlich
auf leisen, melancholischen Pianotönen, dieser Refrain, der mir
nicht mehr aus dem Sinn gehen will: "It's A Mad World".
So wie mir ergeht es derzeit Millionen zwischen Irland und Israel:
Kein Lied sorgt momentan für so nasse Taschentücher wie
das "Tears-For-Fears"-Cover "Mad World" von Gary
Jules und Michael Andrews: Eine wunderschöne Piano-Ballade, die
unter die Haut geht und zu Tränen rührt. Gary Jules, der
lange Zeit unterschätzte Songwriter aus L.A. hat mehr zu bieten
als nur diese eine Ballade.
Mehr
als 20 Jahre hat die Komposition aus der Feder des englischen Pop-Duos
"Tears For Fears" bereits auf dem Buckel. Mit ihrer eindringlichen
Piano-Version verschaffen Gary Jules und sein Partner Michael Andrews
den kindlichen Gedanken über die Welt der Erwachsenen die längst
verdiente Anerkennung. Doch zugleich machen sie das Lied zum Soundtrack
einer von Terror und Gewalt heimgesuchten Welt, in der täglich
an einem anderen Ort unseres Planeten Blut vergossen wird. Ein Lied,
das nachdenklich stimmt und den Zuhörer immer wieder zu der
Frage nach dem "Warum?" bewegt.
Wer
auf seinem Album "Trading Snakeoil For Wolftickets" weitere
Songs im Stile seines Megahits erwartet, wird enttäuscht sein.
All jene, die nicht mit musikalischen Scheuklappen durch die Welt
rennen, werden ihre Freude an dem Album haben, wenngleich es die
musikalische Offenbarung nicht enthält. Seit rund zehn Jahren
nun schon ist die akustische Gitarre zum treuen Begleiter von Gary
Jules geworden. Im Vorprogramm alter Heroen wie Todd Rundgren oder
Vertreterinnen jüngerer Folk-Pop-Generationen, wie Sheryl Crow,
stellte er sein Talent eindrucksvoll unter Beweis.
Gary
Jules zieht durch das weiche Timbre seiner Stimme und den unaufgeregten
Ton seines Gitarrenspiels in den Bann. Er singt über die klassischen
Themen eines Liedermachers, über Glaube, Liebe und Hoffnung,
mit denen auch schon Cat Stevens oder Bob Dylan in den 60er und
70er Jahren die Welt zu verändern suchten.
Im
Opener "Broke Window" prasselt lautstark die Lagerfeuerromantik,
"Umbilical Town" beschert uns eine melancholische Ode
für trübe Herbsttage, und der schwungvolle Westcoastrock
von "DTLA" macht einfach nur gute Laune. Einziger Wermutstropfen:
Im Mittelteil des Albums sehnt man sich nach etwas mehr Differenziertheit
im akustischen Spiel des Songschreibers. "Ich hoffe, dass meine
Lieder den Zuhörern etwas bedeuten", wünscht sich
Gary. Das tun sie - auch trotz des kleinen Mankos. Stephan Stöckel.
"Gary
Jules: Trading snakeoil for wolftickets"
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, April 2004
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