vorschau  HELGI JONSSON
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Strahlend hell

 

In den vier Jahren seit seinem Debütalbum "Glóandi" hat Helgi Jónsson einen spürbaren Reifeprozess durchlaufen. Aus dem schüchternen jungen Mann wurde ein Vollblutkünstler, der seinen introvertierten Charme in bestechend geradlinige Rocksongs und Songwriter-Balladen umzusetzen weiß.

"For the rest of my childhood", so der Albumtitel, ist eine wohl durchdachte, atmosphärisch stimmige und detailreich arrangierte Sammlung von Songs irgendwo zwischen New Acoustic Movement, leisen Britpop-Anleihen und einigen seiner Kollegen, mit denen Helgi Jónsson in den letzten Jahren offenbar nicht umsonst um die Welt tourte: Teitur und Sigur Rós. Und da der isländische Meisterproduzent Valgeir Sigursson im Studio an den Reglern saß, ist die Verwandtschaft nicht nur musikalisch zu erklären, sondern tatsächlich ganz konkret.

Mehr als eine Randnotiz ist auch das augenfällige Cover-Artwork wert: Es stammt von Alex Somers, der erst vor wenigen Monaten selbst als Musiker in Erscheinung trat, und zwar mit seinem Partner Jónsi Birgisson, dem Sänger von Sigur Rós und ihrem gemeinsamen Album "Riceboy sleeps".

So erscheint die isländische Musikszene vor allem als kreative Familie, in der sich auch Helgi Jónsson spürbar wohl fühlt, obwohl er das Land im Alter von 19 verlassen hatte. Seither pendelt er zwischen Wien und Reykjavik - und diesem "kontinentalen" Einfluss schrieben wir die spürbare Zugänglichkeit seines Debütalbums zu, die auch "For the rest of my childhood" auszeichnet.

Es ist vielleicht naheliegend, Jónssons Musik mit seiner Heimat in Verbindung zu bringen, aber nicht zwingend. Gerade in seinen ruhigen Momenten ist das Album strahlend hell - etwa "Soft targets", obwohl man es im Hintergrund sogar regnen hört (Jónsson spielte das Lied in der Garage seiner Eltern ein). Gerade dieses Stück mit seiner einfachen Struktur steht beispielhaft für Jónssons ausgeprägte Fähigkeit, mit äußerst sparsam eingesetzten Elementen Momente besonderer Intensität zu erzeugen. Manchmal reicht dafür schon ein Händeklatschen.

So setzt "For the rest of my childhood" den stilgenauen Kontrapunkt in turbulenten Zeiten - nicht nur im von der Finanzkrise besonders gebeutelten Island, wo man sich derzeit sicherlich nach etwas Ruhe und Geborgenheit seht. Doch Jónsson geht es keineswegs nur um eine sentimentale Erinnerung an selige Kinderzeiten, wie der Albumtitel zunächst nahelegt. "For the rest of my childhood" ist schließlich auch ein Plädoyer dafür, Kindheit nicht als etwas Abgeschlossenes zu betrachten, sondern darauf aufzupassen, dass sie in jedem von uns weiterlebt - egal wie "erwachsen" wir inzwischen geworden sind. Für Helgi Jónsson ist dieses Thema gerade in diesem Jahr vielleicht besonders präsent: Er feiert seinen 30. Geburtstag.

 

© Michael Frost, 07.10.2009


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