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Lieblingsmusik


Johnny Favorite war ein gestrandeter Swing-Musiker, bis er in die Fänge von Louis Cyphre geriet. Der lieferte die nötige Unterstützung für den Karrierestart, allerdings unter einer schwerwiegenden Bedingung: Im Falles seines Todes würde Favorites Seele Louis Cyphre gehören.
Der Plot klingt nach einer wenig subtilen Abrechnung mit der multinationalen Plattenindustrie. Musiker, die zugunsten einer Karriere ihre Seele verkaufen? - Alles schon gehört, doch tatsächlich handelt es sich in diesem Fall um die Story zu Alan Parkers Film "Angel Heart" mit Mickey Rourke und Robert de Niro.

Kris Kiel, Ralph Beulshausen, Martin Fekl, Kim Kiesling und Rüdiger Hensel erkoren Johny Favorite zu ihrem ambivalenten Namenspatron. Ihre Band trägt seinen - eingedeutschten - Namen: Johnny Liebling, was den Kalauer "Lieblingsmusik" fast schon zu nahe legt, doch das Wortspiel ist zu stimmig, als dass man es umgehen könnte. "Goldene Zeiten" verspricht der Titel, der das Album auch gleich eröffnet ..."goldene Zeiten // schillerndes Licht // auf dass uns die Stürme ganz nach oben tragen // wo die Sterne sind ..."

Goldene Zeiten mögen, wie von Johnny Liebling besungen, flüchtig sein, die Musik dieser Band ist es nicht. Ein überwältigendes Charisma aus Bluesrock, erdigen Drums, fesselnden Arrangements und samtweichen Gesangspartien macht das Album zu einem der großartigsten Debüts des Jahres. Der kantige Charme der Band wird zudem von ausgefeilten Texten bestimmt, die niemals kitschig oder pathetisch klingen, zu keinem Zeitpunkt peinlich oder aufdringlich wirken, sondern mit der Musik eine ungemein stimmige Symbiose eingehen. "Wo ist der Hook in diesem Lied // wo ist die Eins in diesem Beat" ("Zuhause") - wie oft hat man sich beim Musikhören solche Fragen schon gestellt, doch bei Johnny Liebling bleibt davon lediglich die metaphorische Bedeutung.

Ein Sound wie aus schwarz-weißen Gangsterfilmen, Bukowskizitate, eine französische Frauenstimme und Verweise auf Kinski verdichten die intime Atmosphäre eines verräucherten Blues-Clubs, wie man ihn lange nicht mehr erlebt hat, aber unbedingt einmal wieder besuchen sollte, denn vielleicht hört man dort mehr von seiner neuen Lieblingsmusik.

Über Johnny Liebling, die Band, erfährt man vorerst wenig. "Goldene Zeiten" ist das Debüt der Hamburger, die damit allerdings als die "älteste Newcomerband des Landes" gelten.

Es braucht schon eine große Portion Reife, um ein derart prägnantes, und dennoch spontan, echt und ehrlich klingendes Album zu machen, mit Stilen und Genres so zielstrebig zu jonglieren und darauf so unter die Haut gehende Songs wie "Heroin" zu verewigen, das die Sucht aus der Sicht der Droge betrachtet: "Ich lass dich nur ungern gehn' // ich hatte noch Pläne // du solltest Wunder sehen // auf die sonst kein Sterblicher käme ...".

Videolink: Johnny Liebling "Heroin" / Quelle: youtube
 

Womit wir wieder bei Johnny Favorite wären. Der, wie gesagt, seine Seele verkaufte, um berühmt zu werden. Auch Johnny Liebling wird berühmt werden. Ihre Seele hat die Band dafür nicht verkaufen müssen. Aber diejenigen, die beim Hören von "Goldene Zeiten" nichts empfinden, die sollten sich Sorgen machen. Um ihre eigene Seele.

© Michael Frost, 05.09.2005

 

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