Es war ein unfairer Wettstreit: 16000 gegen sieben von uns“, erinnert sich Saul Davies mit einem Augenzwinkern an den 7. Dezember 2001. Einem wichtigen Datum in der über 25-jährigen Geschichten einer der wohl wichtigsten britischen Popbands aller Zeiten. „James“ feierten ihr Abschiedskonzert in der „Manchester Evening News Arena“ vor der beeindruckenden Kulisse von 16000 Fans.
Der Wettstreit endete mit einem Unentschieden: Die Musiker von James liefen zur künstlerischen Hochform auf, standen ständig im Dialog mit dem Publikum, das nicht enthusiastischer hätte sein können. Sieben Jahre sind ins Land gegangen. Aus dem wehmütigen „Hello, it’s over“ von Sänger Tim Booth, wurde ein freudiges „Hello again“.
Das Septett hat sich nicht auf seinen Lorbeeren ausgeruht, sondern seinem musikalischen Schaffen ein weiteres Meisterwerk hinzugefügt: „Hey Ma“. Musikalisch und lyrisch ist alles beim Alten geblieben: „James“ lassen den anspruchsvollen Gitarrenpop zur Freude des Zuhörers wie ein Regenbogen in all seinen Facetten schillern: von euphorischen Gefühlwandelungen über schroffe Rocksongs bis hin zu ergreifenden Oden der Schwermut, die eine Erhabenheit ausstrahlen.
Dazu gibt Frontmann Tim Booth wieder den kultivierten, sprachgewandten Texter. „How much junk in my life do I really need? – Wie viel Müll brauche ich wirklich in meinem Leben?”, fragt sich ein an Jahren gereifter Booth in dem Song „Waterfall“, für den es anscheinend wichtigere Dinge gibt, als den allerneusten Techniktrends unserer Informationsgesellschaft hinterher zu hecheln.
Er verknüpft den Gedanken mit einem die Psyche reinigenden Bad unter einem Wasserfall. Zusammen mit dem schmissigen Sound, der an den guten alten Lou Reed erinnert, entfaltet der Song eine reinigende Wirkung auf die Seele des Zuhörers. Mit bildhafter Sprache gelingt ihm ein Loblied auf das Leben („Bubbles“), wird die Sehnsucht von Gastarbeitern nach ihrer Familie in der Ferne greifbar („Upside“), werden die Selbstzweifel eines Mannes offenbart („I Wanna Go Home“).
„Hey Ma“ lässt die Gedanken zum 11. September schweifen und aus dem Satz „What kind of God you dreaming of. A God of blood not love“ aus dem Song „72“ spricht eine ablehnende Haltung gegenüber religiösem Fanatismus und Engstirnigkeit. Zwei Songs, die ohne erhobenen Zeigefinger daherkommen und die für Kontroversen sorgen dürften, so wie das Cover der CD, das einen kleinen Jungen sitzend neben einer Pistole zeigt. Sittenrichter sorgten dafür, dass das Album im Vereinigtenkönigreich mit einem Werbebann belegt wurde.
Über das Bild mag man sich streiten, doch die künstlerische Klasse von „James“ ist auch im 27. Jahr ihres Bestehens unbestritten.
"James: Hey Ma"
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel
© Stephan Stöckel, Juni 2008