Da
liegt sie nun also. Die neue Platte des Mannes, der sich den ihm von
seinen Fans verliehenen Titel des "King of Pop" rechtlich
schützen ließ, als hätte er Angst, man könnte
ihm diese Würde, diesen Status eines absolutistischen Pop-Monarchen
wieder nehmen.
Die
Versuchung ist groß, "Invincible" nicht an den darauf
enthaltenen Titeln zu messen, sondern an den Geschichten über
den Künstler selbst. Viele Kritiker erliegen dieser Versuchung,
und ohne Frage schürt Jackson selbst die Auseinandersetzung noch,
indem er sich selbst zum Thema seiner Musik macht: "Invincible",
unbesiegbar, das ist mehr als nur ein Albumtitel, es ist der Versuch
der Selbstbehauptung - Motto: Ich bin noch da, mit mir ist noch zu
rechnen. Im Eröffnungssong "Unbreakable" schallt es
uns mit Macht entgegen:
"You
can't believe it, you can't conceive it
and you can't touch me, 'cause I'm untouchable,
and I know you hate it, and you can't take it
You'll never break me, 'cause I'm unbreakable."
Und
auch im weiteren Verlauf bleibt Jackson deutlich. "I need my
privacy" ruft er. Der zur öffentlichen Kunstfigur stilisierte
Michael Jackson wird die Mediengeister nicht mehr los, die ihn erbarmunglos
in allen Lebenslagen ablichten: "So paparazzi, get away from
me".
Er
kämpft wieder, so scheint es, und auch musikalisch hat er noch
immer einiges zu bieten.
"Invincible"
ist ein von der ersten bis zur letzten Note perfektes Pop-Album, ausgereift
und genau kalkuliert, von einer Qualität, von der die meisten
anderen Musiker seines Genres nur neidisch träumen können,
und wäre dies sein erstes Album, und gäbe es die Vorgeschichte
Jacksons nicht - die Musikwelt würde sich mit Sicherheit vor
Begeisterung überschlagen.
Aber
"Invincible" ist nicht Michael Jacksons erstes Album. Bestenfalls
ist es das erste Album nach der großen Lebenskrise des King
of Pop, aber danach sieht es nicht aus. Allgemein wird wohl angenommen,
das Album stehe am Ende einer langen, unglaublichen Karriere, die
gewaltige Höhen genauso erlebt hat wie brutale Niederungen und
manch unappetitliche Szene.
Doch
"Invincible" zeigt vor allem eines: Davon ausgehend, dass
die Karriere Jacksons ihren Zenith überschritten hat, muss es
für den Abschied auf Raten andere Ursachen geben als seine Musik.
Die nämlich ist - Segen und Fluch zugleich - genau wie am Anfang
seiner Karriere, nur eben noch perfekter, vielleicht manchmal zu perfekt
und überkontrolliert, um noch Seele und Geist zu haben, den nötigen
Esprit, der das Publikum zur Extase treiben könnte. Diese hörbare
Sehnsucht nach Reinheit und Perfektion führt bei Michael Jackson
offenbar in vielerlei Hinsicht, nicht nur in der Musik, zum Wunsch
nach Sterilität, treibt ihn zu bizarren Entscheidungen über
die Gestaltung seines Lebens und bietet somit ständig neue Breitseiten
für eine Medienbranche, deren Existenz - das darf man bitte nie
vergessen - von solchen Exzessen abhängig ist.
Sein
Album ist der Versuch, die Offensive zurückzugewinnen. Schon
auf "HIStory" gab es Signale Jacksons, sich dem Publikum
mittels seiner Lieder mitzuteilen. Die Musik scheint tatsächlich
seine Möglichkeit der Kommunikation zu sein, in ihr geht er auf,
während er am Alltag zu verzweifeln scheint, und dass ihm trotz
aller Anfeindungen noch Meisterleistungen wie "Invincible"
gelingen, nötigt neben einer gewissen Überraschung großen
Respekt ab.
Er
hätte sich den Titelschutz für den "King of Pop"
sparen können. Jackson ist längst ein Mythos, und seine
Lieder sind Klassiker der Postmoderne. Niemand wird ihm den Titel
streitig machen können, und viele sollten, wie man so sagt, den
Ball flach halten. Nur weil die Verkaufszahlen von "Thriller"
nicht zu toppen sind, sind die Nachfolgealben Jackson noch keine Flops.
Wäre das so, wäre seither jede CD jedes Künstlers gefloppt.
Jede einzelne. Es ist eben alles eine Sache des Maßstabs.
Michael
Frost, 17. November 2001