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Musikalische
Visitenkarte


In den letzten Jahren haben Pop- und Klassikmusiker gleichermaßen versucht, die Grenzen zwischen "U"- und "E"-Musik zu überschreiten. Was insbesondere die Klassik-Puristen entsetzt, freut eine steigende Zahl von Zuhörern und hat letztlich dazu beigetragen, dass die klassische Musik über subventionierte Opernhäuser hinaus den Weg sogar bis in die Fußballstadien fand.

Um in einer von Massenmedien dominierten Kulturlandschaft auch abseits der Opernbühnen erfolgreich zu sein, brauchen die Künstler jedoch mehr als nur stimmliche Virtuosität. Begnadete Selbstdarsteller ohne "Crossover"-Berührungsängste wie der italienische Bilderbuch-Tenor Luciano Pavarotti oder die charmante Diva Montserrat Caballé, die einerseits alle gängigen Klischees eines Opernstar bedienen und sich andererseits selbstironisch karikieren, haben zwar den stilübergreifenden Durchbruch geschafft, sind aber letztlich Ausnahmeerscheinungen geblieben.

Zeit und Platz genug also für den Nachwuchs, und ganz oben auf der Liste positioniert sich gerade Isobel Cooper, die dieser Tage unter dem etwas albernen, aber einprägsamen Kürzel "Izzy" den Klassikmarkt aufmischen will. Die 25jährige Sängerin bringt tatsächlich alles mit, was man für eine internationale Karriere braucht. Sie singt fantastisch, frisch und klar, sie ist jung, attraktiv und fotogen, darüber hinaus offen für alle möglichen Musikrichtungen und leidenschaftlich engagiert bei der Sache.

Schon immer hatte sie mit Musik zu tun. Sie singt nicht nur seit frühester Kindheit, sie spielt auch alle Arten von Blockflöten sowie Klavier, Klarinette und Querflöte. Ihr Studium an der "Guildhall School of Music and Drama" verdiente sie sich u.a. als Straßenmusikantin, und noch vor kurzem jobbte sie im Londoner Virgin Megastore hinter der Ladentheke.

Mittlerweile verkauft sie nicht mehr die Platten anderer, sondern produziert ihre eigenen. Nachdem ihr Debut-Album "Libera me" bereits eine Nominierung für den Brit Award erhielt und die britischen Klassik-Charts toppte, startet die Wahl-Londonerin jetzt voll durch:

Ihr gerade erschienenes zweites Album "Ascolta" (ital. "ascoltare", Zuhören) ist, das sei an dieser Stelle bereits gesagt, ein mitreißender Musikgenuss.

Gemeinsam mit ihrem Produzenten Craig Leon, der über Erfahrungen sowohl im klassischen (Pavarotti) als auch im Pop/Rock-Bereich (Ramones, Blondie) verfügt, versammelt Izzy auf "Ascolta" Arien, Traditionals und Choräle verschiedenster Epochen und macht das Zuhören so zu einem abwechslungsreichen, stimmungsvollen Vergnügen.

Bereits der Opener, die Donizetti-Komposition "Una furtiva lagrima" ist ungemein beeindruckend interpretiert. Was mit Ambient-Klängen à la Enya beginnt, mausert sich zur klassischen Arie. Ähnlich souverän erklingen auch die anderen klassischen Stücke wie Bizets "Au fond du temple saint" oder "Signore ascolta" aus Puccinis "Turandot".

Aber auch die folkloristischen Titel beherrscht Izzy: "The lost lady found", "My love is like a red red rose" und "Down by the salley gardens", traditionelle Weisen aus England, Schottland bzw. Irland zeugen davon.

Traditionalisten der Klassik-Branche werfen den Grenzgängern in der Regel vor, zu viele Zugeständnisse an den Kommerz zu machen und dadurch zur Banalisierung und Verflachung klassischen Liedguts beizutragen. Izzy kann dem gelassen entgegen sehen:

Man merkt "Ascolta" die Sorgfalt an, mit der das Album produziert wurde. Stets wird die Balance zwischen klassischen und modernen Arrangements gehalten. Die Titelauswahl ist weit mehr als nur eine Sammlung ihrer Lieblingslieder, sondern eine musikalische Visitenkarte, mit der sie ihre Fähigkeiten in unterschiedlichen Sparten überzeugend unter Beweis stellt und mit der sie vor allem eins sagt: An mir kommt ihr nicht mehr vorbei.

MF / 24. März 2001

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