Woher der Flamenco kommt, wer ihn begründete, selbst woher sein Name stammt - darüber gibt es verschiedene Theorien. Gesichert ist jedenfalls, dass dieses eigentümliche Genre mit feurigem Rhythmus, ausdrucksvollem Tanz und archaischem Gesang die Geschichte Spaniens seit Jahrhunderten begleitet - und älter ist als das Land selbst.
Die Einflüsse der verschiedenen iberischen Kulturen sind im Flamenco aufgegangen wie in keiner anderen Musik. Gitanos, Mauren, Afrikaner, Juden und Christen hinterließen ihre Spuren, und erst in der jüngeren Vergangenheit beginnen Musiker, die historischen Fäden aufzugreifen und in der jeweiligen Geschichte zu forschen.
Der junge, gerade erst 19-jährige Israel Fernández, hat sich für eine andere Art der Auseinandersetzung mit dem Flamenco entschieden. Ihn interessiert, analog zum tango nuevo in Argentinien, der flamenco nuevo, folglich eine zeitgemäße, aktuelle Form dieser Musik. Und ebenso wie die Begründer des tango nuevo lässt auch er sich vom Jazz inspirieren.
Kontrabass, Bläser und vor allem ein Klavier zeigen auf "naranjas sobre la nieve" eine neue Richtung an. Gerade die verspielten Pianoläufe bilden einen irritierenden Kontrast zum schroffen Gesang. Kaum zu glauben, dass dieser Sänger keine zwanzig Jahre alt sein soll. Im Zusammenspiel wirken die Instrumente und der Gesang dann tatsächlich wie eine Jazz-Fusion der besonderen Art: Gerade die flamenco-typisch exaltierten Gesangspartien erscheinen als Entsprechung einer jazz-typischen Instrumental-Improvisation und machen die Verbindung der beiden Genres fast schon zu einer zwangsläufigen Angelegenheit.
Dennoch bleibt Israel Fernández, wie cantautor-Legende Luis Pastor in seinen Linernotes zu "Naranjas sobre la nieve" schreibt, immer Flamenco "in Reinform". Israel, so Pastor, habe alles, was den Flamenco im 21. Jahrhundert ausmachen müsse: "Rhythmus, Takt und Harmonie."
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Michael Frost, 30.11.2008