Bereits das Stimmen der Gitarre ist Teil des Konzerts, gleichsam seine Ouverture. Angélique Ionatos und Katerina Fotinaki sitzen auf einem schlichten, mit Stoff überspanntem Holzpodest auf der Bühne des Théâtre du Point du Jour in Lyon. Weitere Musiker gibt es nicht, nur die beiden Frauen, ihre Stimmen, verschiedene Gitarren, zwischen denen sie während des Abends wechseln, eine Mundharmonika, und sehr, sehr viel Poesie, auf Griechisch und Französisch.
Schon ihr erstes Stück gibt das gesamte, Universum der beiden Künstlerinnen preis. "Piano tin Anixi" beginnt mit gesprochener Lyrik in französischer Sprache. Angelique Ionatos verfügt über eine dunkle Sprechstimme, der leichte griechische Akzent gibt ihrem Französisch eine besondere Note. Der Text des Liedes stammt, wie auch einige der folgenden Titel, von dem kretischen Literaturnobelpreisträger Odysseus Elytis (1911-1996): "Ich halte den Frühling behutsam und öffne ihn ..." , und später: "Ihr, Länder und Meere, Bäume und goldene Olivenhaine // hört, was ich euch zu sagen habe // während meiner Sommer ..."
Schon die Ansagen Ionatos' zwischen den Liedern sind pure Poesie, und mit ihrem Gesang verwandelt sie die Gedichte von Elytis, Sappho und Manos Hadjidakis in pures Gold. Den Albumtitel "Comme un jardin la nuit" entlieh das Duo einem Text von Leo Ferré, einem der profiliertesten französischen Chansonnier. "Wie ein Garten, der nur in der Nacht geöffnet wird" heißt es in "Cette blessure", und ebenso präsentiert sich dieses hinreißende Duo: als wolle es die Stille der Nacht einfangen, den sanften Duft einer schlafenden Natur, die blaue Reflektion des Mondlichts.
Die Aufgabenteilung zwischen Angélique Ionatos und Katerina Fotinaki ist perfekt. "Katerina", sagt Angélique Ionatos, "ist die 'kleine' Schwester, die ich immer haben wollte - obwohl ihre Reife und ihr künstlerischer Anspruch mich ihr Alter oft vergessen lassen." Mit leisem Augenzwinkern integrieren sie selbst noch den Tango in ihr Repertoire, mehr noch, sie erklären ihn zu antikem griechischen Kulturgut.
So vermischen sie ihre eigene Leidenschaft mit ursprünglich fremden Traditionen. In Lyon interpretiert Ionatos nicht nur das bereits erwähnte "Cette blessure" von Leo Ferré, sondern mit atemberaubender Inbrunst auch ein spanisches Sonnett des chilenischen Jahrhundertdicherts Pablo Neruda ("No estes lejos de mi"), was ihr nicht nur den bewundernden Applaus des Publikums, sondern auch ihrer Partnerin einbringt - die jedoch ihrerseits mit glockenklarer, heller Stimme das Lied einer weiteren Chansonlegende adaptiert: "Quel joli temps" von Barbara.
Angélique Ionatos und Katerina Fotinaki haben sich gesucht - und gefunden. Seit ihr Gesangslehrer ihr Musik von Ionatos vorgespielt habe, die sich zu der Zeit in Frankreich bereits einen Namen als Interpretin griechischer Lyrik gemacht hatte, habe sie gemeinsam mit ihr auftreten wollen, sagt Katerina Fotinaki heute. Von dem Moment an habe sie die Verbindung zu ihr gefühlt, und gemeinsam zu spielen, sei für sie eine große Freude.
Die vollkommene Harmonie zwischen den Musikerinnen, ihrem Gesang und ihrem Gitarrespiel, zwischen kunstvoller Lyrik und ihrer musikalischen Interpretion, fasziniert von der ersten Note bis zum Schlussapplaus - und noch weit darüber hinaus: Die aufwändig, liebevoll und äußerst informative Box (mit Begleitworten der Künstlerinnen, griechischen und französischen Texten und englischer Übersetzung) enthält sowohl eine CD mit den Studiofassungen als auch den Konzertmitschnitt aus Lyon auf DVD.