Wenn
von Françoise Hardy die Rede ist, sind Worte wie "Ikone"
oder "Diva" nicht weit. Dabei würde sie sich solchermaßen
auf einen Sockel gestellt vermutlich eher unwohl fühlen. Schließlich
begann sie ihre Karriere in den Sechzigern mit Lederjacke und französischen
Rocksongs, und diese Wurzeln hat sie bis heute nicht gekappt, auch
wenngleich vieles inzwischen naturgemäß etwas gemäßigter,
kultivierter und bedächtiger klingt.
Dass
diese Form der Reife nicht mit Langeweile oder Angepasstheit verwechselt
werden darf, ist dem neuen Album von Françoise Hardy deutlich
anzuhören. Fünf Jahre nach "Clair obscure" erscheint
jetzt "Tant de belles choses", eine Sammlung leiser Pop-Chansons
mit zärtlicher Atmosphäre. In Frankreich, wo das Album bereits
im vergangenen Herbst erschien, wurde La Hardy bereits als beste Interpretin
des Jahres für den "Victoire de la musique" nominiert.
Erneut
beteiligte sie viele alte Weggefährten und neue Partner. Zur
ersten Gruppe gehört Alain Lubrano, der es schon immer meisterhaft
verstand, Françoise Hardy ins rechte Licht zu rücken und
das warme Timbre ihrer Stimme durch raffinierte Arrangements noch
zu verstärken. Neue Bekanntschaften dagegen sind Thierry Stremler
und Benjamin Biolay. Beide steuerten jeweils einen Song zum neuen
Album bei. "A l'ombre de la lune" ist ein typisches Biolay-Chanson
im Bossanova-Stil, das ebenso gut auf einem Album von Keren Ann oder
Coralie Clément Platz gefunden hätte. Doch dank Françoise
Hardys markanter Stimme und des Gitarrenspiels ihres Sohnes Thomas
Dutronc entfaltet das Stück seinen individuellen Charakter.
Nicht
minder interessant dürfte die Aufnahme zweier Titel verlaufen
sein, die ihr der irische Songwriter Perry Blake auf den Leib geschneidert
hatte. "Moments" und "So many things?" beließ
sie schließlich in ihren englischsprachigen Originalfassungen
- ein durchaus charmantes Experiment, bei dem der französische
Akzent von Madame Hardy allgegenwärtig ist.
Blakes
Songs sind ohne Zweifel die Highlights des Albums. Mit ruhiger Hand
entwarf er für "Moments" melancholische Streichersätze,
angedeutete Pianoläufe, eine einzelne, leise Geige, bald ein
Cooljazz-inspiriertes Trompetersolo - allesamt instrumentale Spiegelbilder
zum souveränen, atmosphärisch dichten Gesang der - das Wort
ist jetzt nicht länger vermeidbar - Ikone des französischen
Pop.
©
Michael Frost, 17.02.2005