Pop
goes Jazz, das ist keine neue Formel, Pop-Songs gehören
seit jeher zum Repertoire der Jazz-Geschichte, deren größte
Musiker sich schönen Melodien niemals verschlossen haben.
Jetzt hat das Trio des Pianisten Jacky Terrasson gemeinsam
mit der schwedischen Sängerin Rigmor Gustafsson 14 Pop-Klassiker
aufgenommen, die eins gemeinsam haben: Sie wurden ursprünglich
alle für Dionne Warwick geschrieben.
Die
"Pionier-Chanteuse des schwarzen Middle-of-the-road-Pop"
(Rolling Stone), die im Dezember 64 Jahre alt wird, stammt
aus einer Familie von Gospelsängern. Sie hatte als Background-Sängerin
der Drifters gearbeitet, bevor sie 1962 Burt Bacharach kennen
lernte. Er schrieb ihr in den 60-er Jahren - gemeinsam mit
Texter Hal David - eine Serie von Songs auf den Leib, die
fast alle zu Welthits wurden.
Gerade
wegen ihrer unkonventionellen Melodien haben sie sich in der
Erinnerung eingenistet. CLOSE TO YOU, WALK ON BY, I´LL
NEVER FALL IN LOVE AGAIN oder ALFIE sind heute Pop-Standards,
die man gerne wieder hört. Was machen Rigmor Gustafsson
und Jacky Terrasson damit? Sie verfremden ihr Material nicht.
Sie verstehen ihre Musik ganz offensichtlich als Hommage an
Warwick und Bacharach - CELEBRATING DIONNE WARWICK heißt
die CD im Untertitel -, das heißt, sie verstecken keineswegs
den Pop-Charakter der Songs.
Rigmor
Gustafsson hat einen leisen Soulton in der Stimme, die wie
eine eigenartige Mischung aus weiß und schwarz klingt,
leicht angeraut, aber doch nicht rau, daneben weich und geschmeidig,
aber niemals glatt. Es ist eine junge, noch entwicklungsfähige
Stimme, die auf der Suche nach ihrem eigenen Charakter die
Anlehnung an Dionne Warwick als Hilfe erfahren dürfte.
Das Jacky-Terrasson-Trio (mit Sean Smith am Bass, Eric Hartland
an den Drums sowie dem Posaunisten Nils Landgren als Gast)
verlässt sich auf den Feel-Good-Sound der Bacharach-Lieder,
reagiert mit knappen Impro-Einlagen, betont den Groove, hält
aber zum allzu gefälligen Easy-listening-Spiel Abstand.
Die
bekannten Melodien unterlegen sie mit rhythmischen Widerhaken,
das Piano bleibt meist diskret im Hintergrund. Damit der Klassiker
gegen Regenwetter-Tristesse - RAINDROPS KEEP FALLING ON MY
HEAD - erneut zündet, wird der Mitsing-Melodie ein aufgerauter
Rhythmus untergeschoben und im Mittelteil legt der Pianist
ausnahmsweise ein Fortissimo mit heftigen Tremoli vor.
Besonders
überzeugen jene Arrangements, in denen die Stimme einen
Song fast ganz allein trägt und der Pianist diskret Akkorde
anschlägt. So gehört das elegant-melancholische
I JUST DON´T KNOW WHAT TO DO WITH MYSELF zu den schönsten
Aufnahmen des Albums, während der Schlusstitel WORLD
OF MY DREAMS ( eine der wenigen Stücke, die nicht von
Bacharach/David stammen) auf jenen Ton setzt, den dieses Album
ansonsten vermeidet: Hier gleiten die Musiker - mit Jacky
Terrasson am Fender-Rhodes-Piano - in jene seichten Gewässer,
vor denen keine Jazz-goes-Pop-Produktion sicher sein kann.
Denn
darin besteht ja die Herausforderung: die verführerisch
schönen Melodien so darzubieten, dass sie noch immer
etwas erzählen, indem sie alles Glatt-Konventionelle
vermeiden. Das geschieht in den meisten Aufnahmen dieser originellen
Kompilation, die zwischen Jazz und Pop balanciert, sehr verspielt,
nicht immer ganz sicher, aber in ihrer Mischung aus dezenter
Coolness und unbeschwerter Heiterkeit auf jeden Fall hörenswert.
©
Hans Happel, 16. November 2004