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Eine Nische gefunden
von Hans Happel


Diese Sängerin hat eine Nische gefunden, in der ihre Stimme sich auf überraschende Weise überzeugend entfalten kann, ohne in Konkurrenz treten zu müssen mit der Vielzahl guter Vokalistinnen des Jazz, die irgendwo zwischen Singer-Songwriter, Standard-, Soul- oder Bar-Jazz-Wegen auf einen kleinen Markt drängen, wo viele wie Schlagersternchen plötzlich aufgehen, um ebenso plötzlich wieder zu verglühen. Nicht ausgeschlossen, dass das der Schwedin Rigmor Gustafsson eines Tages auch passiert.

Dennoch: Mit ihrem neuen Album ON MY WAY TO YOU setzt sie einen Weg fort, den sie mit der vorausgegangenen CD CLOSE TOU YOU erfolgreich eingeschlagen hat. Sie stellt wiederum die Musik eines einzigen Komponisten vor. War das vor zwei Jahren Burt Bacharach mit den Songs, die er der Soul-Diva Dionne Warwick auf den Leib geschrieben hatte, so ist es jetzt Michel Legrand.

Beide haben weit mehr als einen Pop-Standard geschrieben, beide sind ebenbürtige "Meister der höchst niveauvollen Eingängigkeit", wie das Presseinfo des Labels ACT hübsch eingängig formuliert. Von beiden Komponisten gibt es Melodien, die sich von ihren Urhebern so gelöst haben, dass fast jedermann sie kennt, ohne zu wissen, wer sie einst geschrieben hatte.

Zum Beispiel THE WINDMILLS OF YOUR MIND. Den Song hatte Michel Legrand 1967 für den Steve-McQueen-Film "Thomas Crown ist nicht zu fassen" geschrieben, Noel Harrison hatte ihn damals mit jungenhafter Stimme gesungen und der Komponist vom Klavier aus persönlich das volltönende Streichorchester dirigiert. Rigmor Gustafsson entschlackt diese unvergessene Melodie. So wenig sie versucht, das Original zu covern, so wenig verfremdet oder dekonstruiert sie die Vorlage.

Ihre Versionen der Legrand-Klassiker entfernen sich kaum von den 3-Minuten-Songs, als die sie ursprünglich gedacht waren. Gustafsson lässt sich von Piano (Jonas Östholm/Daniel Tilling), Kontrabass (Christian Spering/Martin Höper) und Drums (Johan Löfcrantz Ramsay/ Jonas Holgersson) begleiten, die Zwischenspiele der Instrumentalisten bleiben dezent, die Soli meist kurz, und immer halten sie sich an den Rahmen der vorgegeben Melodie.

Das Album ist eine Hommage an ohrwürmige, aber durchaus komplexe Songs, die Legrand meist für den Film geschrieben hat, und sie werden getragen von der Stimme einer Sängerin, die hier reifer, offener und freier klingt als zuvor. Mag sein, dass ihr die sentiment geladenen Lieder von Legrand besonders entgegen kommen.

Der 1932 in Paris geborene Jazz-Pianist, Dirigent und Komponist - dreifacher Oscar- und fünffacher Grammy-Gewinner - hat u.a. mit Miles Davis, Edith Piaf, Sarah Vaughn, Stan Getz, Aretha Franklin und Ray Charles zusammen gearbeitet. Er schrieb die Musik zu unzähligen Filmen, darunter zu Klassikern wie Barbara-Streisands"Yentl" (1983).

1963 schrieb er die Musik zu einem der ersten Film-Musicals: "Les Parapluies de Cherbourg" ("Die Regenschirme von Cherbourg", Regie: Jacques Demy), aus dem hier zwei Stücke zu finden sind, "Where´s the love" und "Watch what happens". Aus letzterem machen Rigmor Gustafsson und ihre Begleiter eine geradezu heftig rockende Nummer.

Die große Kunst der Sängerin ist die Einfühlung in ihr Material, sie scheint die Songs von innen heraus zu verstehen, sie gibt ihnen mit leisen Nuancierungen unterschiedliche Färbungen. Vom Rythm&Blues zur klassischen Musical-Melodie, vom naiv-kindlich gezeichneten Lied zum geschmeidig-jazzigen Duo (gemeinsam mit der elektrisierenden Stimme von Magnum Coltane Price): nie wirken diese Einspielungen angestrengt oder gekünstelt, Rigmor Gustafsson vermittelt als Interpretin eine entwaffnende Ehrlichkeit, völlig uneitel schlägt sie sich auf die Seite der Musik.

Gewiss, es ist eine leichte Musik, es ist jene Mischung aus Pop und Jazz, die hier dank der vorzüglichen Arrangements und der ebenso sensiblen wie disziplinierten Musiker eine angenehme Schwerelosigkeit gewinnt, und wenn der Produzent Nils Lindgren (Posaune), Magnus Lindgren (Tenor- und Baritonsax), Tino Derado (Akkordeon, Klavier-Solo) oder Jonas Östholm an der Hammond-Orgel weitere Farben hinzugeben, dann immer nur wenige Tupfer, damit das ganze keine dicke Sosse wird, sondern ein zarter Reigen eigenwillig eingängiger Melodien bleibt.

Die letzten beiden "You must believe in Spring" (aus dem Film "Les Demoiselles de Rochefort", 1968), heute längst ein Jazz-Standard, und der "Bonus-Track" "La Valse de Lilas" sind denn auch fast die Höhepunkte dieses Albums, das zu denen gehört, die man an trüben Regentagen immer wieder hören kann.

© Hans Happel, 20. März 2006

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