"Kein
Akkord ist häßlich genug, all die Scheußlichkeiten
zu kommentieren, die von der Regierung in unserem Namen verübt
werden". So hat Frank Zappa 1966 gesprochen.
Der
langmähnige Freak mit dem stechenden Blick war nicht nur ein
Provokateur, er war unbestritten einer der innovativsten Musiker des
20. Jahrhunderts. Ein
früher Postmoderner, ein Grenzgänger zwischen E- und U-Musik,
zwischen Pop, Rock, Jazz und Avantgarde. Einer, der mit bissigen und
obszönen Texten den american way of life aufs Korn nahm, der
Schlagerkitsch ebenso respektlos wie die "Sgt. Peppers"-Band
parodierte und sich verneigte vor einem Klassiker der Moderne wie
Edgar Varese.
Keine
schlechte Idee also, diesem Großmeister der Rockgeschichte zum
10. Todesjahr - er ist gestorben am 4. Dezember 1993 - ein Konzert
zu widmen und dies in einem geschichtsträchtigen Musentempel
durchzuführen und aufzunehmen. "A Grandmothers Night at
the Gewandhaus" heißt die CD, auf der Gründungsmitglieder
der Zappa-Band "Mothers of Invention" zu hören sind.
Begleitet von einem kleinen Orchester sind sie im Februar dieses Jahres
in Leipzig aufgetreten: Don Preston (vocals, piano, synthezisers),
Bunk Gardner (tenor sax, sopran sax, flute), Roy Estrada (vocals,
bass), Napoleon Murphy Brock (vocals, tenor sax, flute) gehören
zur alten Zappa-Mannschaft, dazu kommen Ken Rosser (guitar) und Chris
Garcia (drums).
Das
Unternehmen ist ehrenwert und das Konzert ist hochgelobt worden, aber
die Aufnahme, die jetzt vorliegt, macht vor allem deutlich, dass Zappa
ohne Zappa wie Honig ohne Bienen wirkt: Die alten Songs - gekonnt
gespielt - klingen kaum mehr nach "hungry freaks, Daddy"
(so der Auftakt-Titel).
Beim
Vergleich mit live-Aufnahmen aus den frühen 70-er Jahren fällt
auf, wie glatt und angestrengt heute wirkt, was damals wild, schnell,
witzig, rauh, mithin authentisch geklungen hat. Warum muß man
denn Songs wie "Village of the sun", "Trouble coming
every day" oder Instrumentals wie "Echidna`s Arf (of you)"
nachspielen, sogar in den Arrangements von Zappa himself, wenn man
damit ausschließlich museal bleibt und an die Originale - und
die Kraft von damals - gar nicht herankommt.
Diese
Art von Werktreue entspricht dem unruhigen Wesen des Meisters am wenigsten,
der sich früh von seiner Mothers-of-Invention-Truppe gelöst
hatte und in der Folge unter dem Label Zappa mit stets wechselnden
Musikern zusammengespielt hatte.
Zappa
selber, so informiert das "Pop-Lexikon" (Schmidt-Joos/Kampmann),
konnte nicht verhindern, dass die Mitglieder der Mother-Crew schon
Anfang der 80-er Jahre unter dem Bandnamen "The Grandmothers"
Zappa-Songs aus den 60-ern nachspielten. Das erklärt vielleicht,
warum auf dieser Hommage späte und populäre Gassenhauer
wie "Bobby Brown" oder "Dancing Fool" einfach
fehlen, oder warum so gewitzte, satirische Miniopern wie "Cheepnis"
mit der für Zappa typischen Collage-Technik gar nicht erklingen.
Am
interessantesten sind noch die Mittelstücke des Albums, vor allem
das 11-minütige "Lamonts Lament", das die Qualitäten
des Komponisten Don Preston zeigt. Preston, der als Bassist und Pianist
mit vielen Größen aus Pop und Jazz zusammen gespielt hat,
der Filmmusiken ("Apocalypse Now") orchestriert und preisgekrönte
Schauspielmusiken geschrieben hat, zeigt in ungewöhnlichen Klangcollagen,
in wuchernden Themen- und überraschenden Rhythmuswechseln, wie
sehr er von Zappa beeinflußt ist.
Aber
selbst hier klingt die Avantgarde merkwürdig blass und bemüht
- wie eine Erinnerung an Gestern. Es fehlt, was bei Zappa immer dazu
gehörte, was bei ihm einfach da war und was weder werkgetreues
Nachspielen noch Nachkomponieren ersetzen können: die unersetzbare
Magie des Meisters.
©
Hans Happel, 03. Mai 2003