Brachiale
Soundgewalt, übermächtiges Gitarrenkreischen und Hardcore-Shouts lassen
das eher zarte Hörergemüt erschrocken vom CD-Player zurückweichen. "Everything
You Ever Wanted To Know About Silence" ist, dass es Stille auf diesem
Album ganz sicher nicht zu finden gibt. Im ersten Moment jedenfalls.
Denn mit ein bißchen Geduld eröffnen GlassJaw, daß sie auch etwas anderes
zu bieten haben, als die lautesten Instrumente und die durchdringendsten
Stimmen. Nämlich ein Gefühl für eingängige Melodien - und für die leisen
Töne.
Laut ist in. Immer mehr Ohren betäubende Bands drängen in die Charts
und das, was vor ein paar Jahren nur die ganz harte Elite hörte, mutiert
zum Mainstream-Sound. Irgendwie klingen alle Frontmänner wie Eddie
Vedder, Refused finden sich auf diversen Compilations wieder und selbst
die Teenie-Pop-Sampler schrecken nicht davor zurück, Creed oder Deaf
Nuts im Inlay aufzuführen. Es ist also kaum verwunderlich, dass eine
weitere Band auf den scheinbar noch immer ungesättigten Markt drängt.
Doch was die fünf Jungs aus Long Island da bieten, hat wenig mit dem
aggressiven Chart-Rock gemein, mit dem man unaufhörlich im Radio und
TV berieselt wird.
Für
das Debutalbum von GlassJaw braucht man Zeit. Zwischen ohrenbetäubenden
Gitarrenriffs und einem sich die Seele aus dem Leib schreienden Sänger
tauchen immer wieder unerwartet filigrane Melodieparts auf, die der
Platte jedoch keineswegs die Energie nehmen. Vielmehr verstehen es
die vier Musiker bestens, ihren erst 20jährigen Shouter in die richtige
Stimmung zu versetzen. Emotionsgeladen berichtet Daryl Palumbo über
missglückte Beziehungen und Lebenskrisen, brüllt und schluchzt sich
durch die Songs.
Gleich
die ersten Tracks des Albums treffen genau das, was schon Ross Robinson
so sehr begeisterte, daß er das Album der Jungs produzierte. Und als
Erfinder des "New Metal" und Soundcreator von Korn und Limp Bizkit
darf man ihm wohl ein gutes Händchen für Talente unterstellen. GlassJaw
präsentieren einen krachenden Emotionsstrudel mit schnörkelloser Ehrlichkeit,
größtenteils leider etwas anstrengend und schwer zugänglich. Ihr technisches
Können ist hoch und zweifellos gelingt der Band die akustische Umsetzung
ihrer Songthemen bis ins Detail.
Der
Wechsel zwischen Wut und Verzweiflung, unterstützt von lauten und
leisen Tönen, ist die Stärke der jungen Gruppe. Doch hin und wieder
bangt man um seine Boxen, denn Grenzen scheinen sich Glasjaw noch
nicht gesetzt zu haben - vom Lautstärkeregler des CD-Players sollte
man sich also nicht zu weit entfernen.
Auch
ein Ziel ist noch nicht wirklich in der Musik auszumachen. Das "gewisse
Etwas" läßt auf sich warten, und die Songs reichen weder an den Groove
von Korn, noch an die Aggressivität von Sepultura heran. Aber die
fünf US-Amerikaner stehen erst ganz am Anfang ihrer Karriere und können
sich bei dem starken Produzenten im Rücken mit der Definition der
ganz eigenen Note noch ein wenig Zeit lassen. "Everything You Ever
Wanted To Know About Silence" ist ein interessantes Album abseits
vom "Adidas Rock", das allerdings vom Hörer einiges an Toleranz und
Geduld einfordert.
"GlassJaw:
Everything you wanted to know about silence"
ist eine Gast-Kritik von Inga Stumpf / Januar 2001
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