Norah
Jones, Joss Stone, Jane Monheit - an der Schnittstelle von Pop, Soul
und Jazz versuchen sich derzeit nicht eben wenige Musikerinnen, und
das mit großem Erfolg. Jede von ihnen setzt einen individuellen
Schwerpunkt, doch der breite Publikumsgeschmack gerät dabei nie
aus den Augen: Grundlage ist der Mainstream. Das Erfolgsrezept bildet
somit gleichzeitig die Basis des Rezensenten-Vorwurfs vom weich gespülten
"Kuschel-Soul" und der fehlenden Innovativität des Sounds.
Auch
San Glaser wird sich solcherlei Kritik anhören müssen. Das
Debüt-Album der Sängerin bietet dafür einigen Anlass:
"Never in vain" ist einschmeichelnd, eingängig, freundlich
und ein wenig harmlos, da es nur selten Ecken und Kanten bietet, an
denen man sich reiben könnte.
Und
dennoch gefällt "Never in vain" auf Anhieb. Vielleicht,
weil die Atmosphäre stimmt, und weil man dem Album anhört,
das hinter dieser Stimme ein starker Charakter steckt, der über
erkennbares Entwicklungspotenzial verfügt, jedoch längst
noch nicht all seine Möglichkeiten preisgibt.
San
Glaser, Tochter eines Indonesiers und einer Niederländerin, wurde
von ihrer Familie schon früh musikalisch geprägt, doch sie
selbst habe sich "ewig lange für total untelentiert"
gehalten. Irgendwann muss sie dieses verzerrte Selbstbild über
Bord geworfen haben, denn es folgte nicht nur eine klassische Ausbildung
am Konservatorium in Hilversum, sondern anschließend verschiedene
Engagements, u.a. mit Jazzkantine, den Harlem Voices und Orange-Blue.
Der
gereiften Sängerin und ihrer facettenreichen Stimme wäre
nach diesem ansprechenden Debüt eine zusätzliche Portion
Mut zu wünschen. Das Gedränge auf dem Schmusesoul-Markt
ist groß, die Konkurrenz entsprechend erdrückend, doch
San Glaser verfügt zweifellos über die Möglichkeiten,
zu einem individuellen Ausdruck mit hohem Wiedererkennungswert zu
finden. Dazu müsste sie sich von der Grundlage des Mainstreams
allerdings etwas beherzter entfernen, als dies noch auf "Never
in vain" der Fall ist.
©
Michael Frost, 22.11.2005