Wenn 
            die Österreicher Gelée Royale ihr neues Album "Wir 
            schießen nicht daneben" mit den stereotypen Floskeln der 
            Dienstleistungsgesellchaft beginnen: "Das ist unsere Philosophie: 
            Wir sind erst dann zufrieden, wenn auch die Kunden zufrieden sind", 
            dann klingt das wie eine Drohung. Die verzerrten Stimmen verbreiten 
            die Platitüden der Konsumwelt vor einem Hintergrund aus digital 
            unterkühlten Klängen und verzerrten E-Gitarren, die Unheil 
            und Kälte verkünden. So subtil kann die Bloßstellung 
            der Gegenwart sein. 
          "Worte 
            ohne Bedeutung" sei diese zusammenhanglose Reihung von Smalltalklyrik, 
            die sie auf "Wir schießen nicht daneben" versammelt 
            hätten, erklären Max Offenhuber und Franz Adrian Wenzl, 
            und Worte ohne Bedeutung fallen in diesen Zeiten wirklich reichlich. 
            Keine Redewendung ist vor Offenhuber & Wenzels Ironie-geschulten 
            Ohren sicher. 
          Getreu 
            ihrer Warnung, nicht daneben zu schließen, landen sie tatsächlich 
            mit jeder Binsenweisheit einen Volltreffer. Und den umrahmen sie zusätzlich 
            gleich einer akustischen Trophäe mit dem passenden Klangkörper. 
            Eintöniges Händeklatschen unterlegt etwa "Sex machine", 
            das aus den gleichermaßen beziehungsreichen und -losen Textstellen 
            "Ich bin sexuell attraktiv" und "Glaube versetzt 
            Berge" besteht. 
          "Tisch" 
            wiederum beginnt als sinnfreier Monolog eines unter einem Tisch Liegenden, 
            der darüber sinniert, warum er unter dem Tisch liegt. Im weiteren 
            Verlauf mausert sich die Groteske zur subversiven Kapitalismuskritik, 
            zu deren Unterstützung ausgerechnet Peter Alexander bemüht 
            wird: "Die süßesten Früchte fressen nur die 
            großen Tiere". Der Sound zu diesem bizarren Szenario 
            klingt nach kaputter Neonröhre. 
          Natürlich: 
            Man kann Texte wie den aus "Anorak" einfach nur als "Worte 
            ohne Bedeutung" nehmen: "Steht dir gut, steht dir wirklich 
            gut." Aber dann: "Wenn die kalte Zeit kommt, zieh 
            den Anorak an." Gelée Royale lassen es einfach offen, 
            ob sie nur einen Gesundheitstipp für den Winter geben wollen, 
            oder ob ganz andere "kalte Zeiten" gemeint sind. Die Doppeldeutigkeit 
            heizen sie im selben Song noch weiter an: "Ob auf deinem T-Shirt 
            Cocacola steht und das irgendwie ironisch gemeint ist, oder ob auf 
            deinem T-Shirt Cocacola steht und das gar nicht irgendwie gemeint 
            ist ..." 
          Wie 
            eine groteske Mischung aus Karl Marx, Kafka und Abreißkalendersprüchen 
            ziehen sich die Mono- und Dialoge der beiden Herren im Bett als roter 
            Faden durch das Album. "Du sagst Are you ready? - Ich sage 
            maybe" ("Ich schieße nicht daneben"). 
          Was 
            auch immer hier auf den Punkt gebracht werden soll - es sitzt. Gelée 
            Royale selbst sehen das wahrscheinlich jedoch ganz anders. "Inzwischen 
            ist die Suche nach dem Klang in den Vordergrund getreten", 
            bekunden sie im Pressetext zum neuen Album und schieben damit weiteren 
            Interpretationsversuchen einen Riegel vor. 
          Lassen 
            wir es also dabei und tauchen in den beeindruckenden Schlusssong "Du 
            leuchtest" ein. Doch auch hier, trotz berauschender Melodieführung 
            und hypnotischer Percussions, bleibt erneut vor allem der Text haften, 
            und der wird geradzu versöhnlich romantisch: "Dann legst 
            du dich zu mir // und Watt um Watt // beginnst du zu leuchten ..." 
            
          Gelée 
            Royale: Wir schießen nicht daneben
            (Niesom n010)
            Vertrieb www.trost.at / Online-Vertrieb www.mdos.at
          © 
            Michael Frost, 26. Januar 2002