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Erfindungsreich
wie Odysseus
Gast-Beitrag von Stephan Stöckel


Bei der schottischen Band „Franz Ferdinand“ an Rainer Maria Rilke, einen der berühmtesten deutschsprachigen Lyriker zu denken, ist überhaupt nicht abwegig. Denn sowohl Rilke als auch der Erzherzog, dem die Popband, ihren Namen verdankt, stammen aus der einstigen Vielvölkermonarchie Österreich-Ungarn. Ersterer hat in seinen „Briefen an einen jungen Poeten“ einen Satz geprägt, den sich viele Künstler zu Herzen nehmen, wenn sie kreativ tätig werden: „Es ist möglich, aus dem Inneren eines Gefängnisses zu schreiben.“

Auch die Musiker aus Glasgow suchten die Abgeschiedenheit: Glaubt man ihren Erzählungen, dann haben sie sich in einem ehemaligen, abgetakelten viktorianischen Rathaus verbarrikadiert und am neuen Silberling herumgewerkelt.

Siehe da: In den abgedunkelten Räumen fanden die Lichtgestalten des Indie-Pop, zum alten Elan früherer Tage zurück. Ihr neuer Silberling „Tonight“ strotzt nur so vor Ausgelassenheit und Lebensfreude, die zum Tanzen animiert. Gespielt wird eine äußerst stimmige und vor allem gehaltvolle Mischung aus Gitarrenpop und dem Besten, was die elektronische Musik zu bieten hat. Da dröhnen die Elektrobeats die Ohren zu, fährt der Funkryhthmus ein ums andere Mal in die Beine, wummern die Bässe im Bauch herum.

Lasziver Gesang, pochende Beats und eine Hammerrefrain, der einem nicht mehr aus dem Kopf gehen will – das ist „Ulysses“ Vorbote des neuen Albums, der unzähligen Radiohörern bereits seit Wochen den Kopf verdreht. Auch die anderen Stücke des neuen Albums stehen der „Odysseus“-Hymne in nichts nach: „Turn It On“ kommt krachiger und geradliniger daher als der eben erwähnte Song, bei „What She Came For“ verwandelt sich die spritzigen Funkkapelle in einem furiosen Finale zur Heavy-Metal-Furie, beschwingt und lässig geben sich die Musiker bei „Send Him Away“.

Getoppt wird der musikalische Bastard aus Beats und Bytes von dem Song „Lucid Dreams“, der nach einem poppigen Intro wie der Soundtrack zur „Love Parade“ klingt. Eingefleischte Techno-Fans wissen es: Auf den musikalischen Rave-Rummel folgt für gewöhnlich die Entspannung in der Chill-Out-Zone. So schmachten die vier Musiker von „Franz Ferdinand“ zum Abschied zwei herzzerreißende Balladen ins Mikro („Dream Again“/“Katherine Kiss Me“).

„Franz Ferdinand“ haben mit ihrem neuesten Werk bereits eines der ersten musikalischen Highlights in diesem noch recht jungen Jahr geschaffen. Erschienen ist das Album „Tonight“ von Franz Ferdinand bei der Plattenfirma „Domino“.

"Franz Ferdinand: Tonight"
(Domino/Rough Trade ) ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, Februar 2009
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