Als
ehemalige Sängerin der "Rainbirds" dürfte Katharina
Franck noch in angenehmer Erinnerung sein, gehörte die Formation
doch zu den seltenen deutschen Popbands von internationalem Format.
Seitdem sind einige Jahre vergangen, und Katharina Franck hat die
Zeit genutzt, um sich ein völlig unerwartetes Terrain zu erobern:
Atemloser
Marathon durch die Straßen von New York, Berlin, die TransAmazonica,
Hudson Bay, Dinkelsbühl, dann schließlich "den Fluss
hinunter und hinaus aufs offene Meer" - Katharina Franck lädt
auf ihrem Album "Zeitlupenkino" zur Tour de Force rund um
den Globus, verpackt in zurückhaltend leichte Popmelodien, mit
denen sie ihre gesprochenen Texte untermalt. Tatsächlich: Gesprochen.
Gesungen
wird nur einmal, in "Sie schickt mir eine Karte aus Cadiz"
- wieder so ein magischer Ort voller Erinnerungen:
"Der
Atlantik schüttet dir
ein nasses Lächeln ins Gesicht"
Ihre fesselnden Alltagsgeschichten und Phantasien, ob nun die rastlose
Hatz durch New Yorker Häuserschluchten oder der Duft nach Holz
und Jasmin, all diese erlebten und erzählten Begebenheiten passen
nicht ins Format Strophe-Refrain-Strophe, sie zwingen die Musik in
den Hintergrund und sind dennoch voller Farben und Bilder - und viel,
viel Atmosphäre.
Man
könnte es für eine neue Form der Lyrik oder Prosa halten,
als träfen Pop und Kunst aufeinander; Popart also, und vielleicht
nicht von ungefähr erzählt ein Lied (Lied ?) von "Andy
Warhols Mona Lisa".
Das
ungewöhnliche Song-Format erlaubt textliche Qualitäten,
wie sie in der deutschsprachigen Popmusik die absolute Ausnahme sind.
Klingende Metaphern und andere virtuos eingesetzte Stilmittel bebildern
die erzählten Erlebnisse und reizen sämtliche Sinne.
"Zeitlupenkino"
ist kein Album, das zur Hintergrundmusik taugt. Die faszinierenden
Texte verlangen - und verdienen - volle Aufmerksamkeit. Ob man sie
als eigenwillige Musik-CD oder als Audio-Book begreift, spielt dabei
keine Rolle. Durch die ungewohnte Verbindung beider Medien geht Katharina
Franck über deren traditionelle Möglichkeiten hinaus.
Was
die dichtende Sprecherin mit ihren gesprochenen Liedern sagen will
? Die Antwort gibt sie selbst:
"Ich
möchte bitte glücklich sein. Und ein Radeberger."
Michael
Frost, 01. Juni 2002