Mit
der Ernsthaftigkeit eines abgeklärten Chanson-Veteranen intoniert
er seine absurden, ironischen und humorvollen Rock-Chansons: Thomas
Fersen, einer der wichtigen Erneuerer der frankophonen Szene, der
seit einigen Jahren die Grenzen zwischen Pop, Rock, Chanson und Jazz
dahinschmelzen lässt. Mit seinem inzwischen fünften Album
will der 40-jährige Pariser nun auch in Deutschland Gehör
finden.
"Pièce
montée des grands jours", so der CD-Titel, ist ein herrlich
unterhaltsames Album mit sehr gelungenen Melodien, das immer wieder
um kulinarische Themen streift. Auch vor bizarrer Komik schreckt Fersen
nicht zurück, wenn er etwa von der Begegnung mit einem Mädchen
singt, dessen "Haare wie Mayonnaise" waren und das zudem
so groß gewesen sei, dass er immer auf einen Stuhl steigen musste.
"Ich fühle mich wie am Fuße einer Steilklippe, wenn
sich ihr großer Körper vor mir aufbaut", singt er
und kommt zu dem Ergebnis "es geht besser, wenn sie sitzt".
Am
Buffet kulinarischer Allegorien und Metaphern bedient Thomas Fersen
sich reichlich. Alles dreht sich um Gourmets und Gourments, so auch
die tragikomische Geschichte des Friedhofsangestellten, der auf "unbewohnten"
Grabfeldern Kartoffeln anbaut und bei jeder Bestattung von einem gewaltigen
Hungergefühl überwältigt wird. Kontrastiert von schrägen
Bläsern und Banjo im Kurt Weill-Stil lässt er seinem Kummer
freien Lauf: "Während der Priester das Gebet spricht, knurrt
mir der Magen - ich denke an Kotelett und Eintopf."
Wo
herkömmliche Konzeptalben einem roten Faden folgen, schlängeln
sich bei Fersen Maccheroni durch das schön gestaltete Booklet.
Und dass ihm beim Fotoshooting für das Album-Cover ein Schweinekopf
auf dem Schoß sitzt, kann angesichts des rosa-weiß-karierten
Tischdeckenmusters im Hintergrund auch niemanden erschüttern,
am wenigsten natürlich Fersen selbst.
Mit
betont hintergründiger Stimme und dem Timbre einer geräucherten
Salami führt Fersen durch seine seltsamen Schöner-Essen-Phantasien.
Zur Seite stehen ihm dabei gerade eine Handvoll Musiker, darunter
Cyrille Wambergue (Tasten), Norbert Lucrarain (Schlagzeug) und Pierre
Sangra (Gitarre, Banjo). Sie werden bei einzelnen Titeln durch atmosphärisch
stimmige Arrangements mit Akkordeon, Geige, Harfe oder Blasinstrumenten
unterstützt, doch insgesamt bleibt "Pièce Montée
des Grands Jours" ein im positiven Sinne schlichtes Album, bei
dem die detailreichen, liebevoll-grotesken Geschichten im Vordergrund
stehen.
Beschließen
wir also das Menü mit
einem küchenphilosophischen Hinweis aus dem Titelsong des Albums
(übrigens ein Duett mit der jüngst tragisch verstorbenen
Marie Trintignant): "Wenn Sie Mortadella lieben, verschlucken
Sie sich nicht an der Pelle." Bon Appétit !
©
Michael Frost, 12.07.2003
Update: 02.08.2003