Wenn es überhaupt noch eines Beweises bedurfte, dass die Bossanova auch im Jahr ihres 50. Geburtstags eine Schönheit ist, an der Zeit und Moden spurlos vorübergezogen sind, dann liegt er nun vor. Márcio Faraco, der im Jahr 2000 überraschend von Frankreich aus seine leisen von Samba und Jazz inspirierten Balladen anstimmte, hat nun, mit "Um rio" seinen festen Blick auf Zuckerhut und Copa Cabana gerichtet.
Ganz in der Tradition der großen Meister der Bossanova, Antonio Carlos Jobim, Joao Gilberto und Baden Powell, interpretiert und instrumentiert er mit zurückhaltender Stimme und ebenso verhaltenen, und dennoch leidenschaftlich seine rhythmischen Songs. Die wahre Kunst der Bossanova liegt ja eben darin, das Temperament der Samba nur unterschwellig, gewissermaßen zwischen den Noten, durchklingen zu lassen. Bei Faraco reicht die Vorstellung, er würde seine Lieder mit einer donnernden Percussion-Section unterlegen, etwa der legendären Olodum-Trommler - der Straßenkarneval würde unvermittelt losbrechen.
Doch so, mit lässig-jazzigem Piano (Baden Powells Sohn Pierre), nur verhalten gestreiften Drums, akustischer Gitarre und samtweichem Timbre liefert "Um rio" eine Hommage an die klassische Bossanova. Neben vielen eigenen Titeln widmet Faraco sich auch immer wieder seinen Vorbildern, darunter Baden Powell Senior ("Berceuse"), aber auch dem portugiesischen Jahrhundert-Dichter Fernando Pessoa ("O guardador de rebanhos") - und lässt erneut sein Interesse am französischen Chanson durchblicken ("À quoi ça sert l'amour?"). "Um río" - ein Fluss -, gemeint ist zweifellos der Río de Janeiro - der "Fluss des Januar" - dient ihm dabei als Bild für den stillen, beständigen Lauf der Zeit, und, so will es das Cover-Foto zeigen, den ruhigen Lauf der Dinge, die Kunst des Unaufdringlichen. Diese angenehme Zurückhaltung ist bei ihm kein aufgesetzter Habitus, sondern, so klingt es jedenfalls, ein Lebensgefühl - eines übrigens, das man nur zu gerne mit ihm teilen würde.
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Michael Frost, 29.11.2008