Manche
Künstler entziehen sich dem Höher - Schneller - Weiter des
Musikgeschäfts mit einer Beharrlichkeit, dass es eine wahre Freude
ist. Natürlich gibt es unter den Verweigerern solche, die sich
der Modernität verweigern, weil sie mit ihr nichts anfangen können,
sie nicht verstehen oder möglichst risikofrei auf Altbewährtes
setzen wollen. Deren Weg führt geradewegs in die Langeweile.
Für
andere jedoch ist die Entscheidung gegen Trends und Mainstream das
Ergebnis eines langen und bewussten künstlerischen Prozesses,
den sie auf der Suche nach authentischen Ausdrucksformen durchlaufen
haben.
Zu
dieser raren Gruppe von Künstlern gehört auch Enzo Enzo.
Die Französin mit osteuropäischem Vater (ihr bürgerlicher
Name lautet Körin Ternovtzeff) ist eine im wahrsten Sinne des
Wortes bezaubernde Interpretin, die sich um äußere Einflüsse
offenbar überhaupt gar nicht kümmert, sondern ihre ganze
Energie darauf verwendet, ihren eigenen Sound zu kreieren.
Ihren
Weg begann sie als Bassistin einer Rockband, sie setzte ihn als erfolgreiche
Popmusikerin fort ("Juste quelqu'un de bien"), doch heute
steht ihre Musik neben den gängigen Genres, sie ist weder Pop
noch Jazz, weder altes noch neues Chanson.
"Je
ne suis ni forte ni fragile" - Ich bin weder stark noch zerbrechlich
- singt sie mit warmer, leiser Stimme, die nur eine Ahnung von ihrem
tiefen, kraftvollen Timbre zulässt, begleitet von einem fast
kammermusikalischen Set aus Piano, Geige und Cello. Hier und dort
ein Kontrabass, Akkordeon, Gitarre oder vereinzelte Percussions -
die musikalische Welt von Enzo Enzo ist alles andere als aufwändig,
aber in ihrer reduzierten Schlichtheit umso wirkungsvoller.
In
Wirklichkeit ist sie beides: stark und zerbrechlich zugleich, denn
gerade die Blöße und Verletzbarkeit, das große Maß
an Personalität, das sich auf "Paroli" offenbart, verlangt
ihr ein ungleich größeres Maß an Mut und Stärke
ab als es bei opulenter Orchestrierung, hinter der es sich trefflich
verstecken ließe, nötig wäre. Genau aus dieser Dualität
bezieht auch "Paroli" seinen Zauber.
Zur
Seite stehen ihr langjährige Weggefährten wie Kent, Serge
Lama und ihr erklärter Lieblingsautor Allain Leprest. Die filigranen
und eleganten Arrangements verantwortet erneut François Bréant.
Mit großem Einfühlungsvermögen setzt er die vielfältigen
Facetten von Enzo Enzo ins rechte Licht und schöpft daraus die
gemeinsame Vision eines kunstvollen Paralleluniversums, in dem gängigen
Kategorien "unserer" Musikwelt keinerlei Bedeutung haben.
Man
darf während dieser Dreiviertelstunde alles hinter sich lassen;
jedes Gepäck auf dieser Reise wäre Ballast. Alles, was man
benötigt, ist etwas Offenheit und die Bereitschaft, sich bezaubern
zu lassen. Für alles Weitere sorgt "Paroli".
©
Michael Frost, 12.11.2004