Während viele ihrer Kollegen versuchen, der Bossanova einen zeitgemäßen Sound zu verpassen und sie etwa mit der elektronischen Musik zu verknüpfen, geht Eliane Elias den umgekehrten Weg. Die in Sao Paulo aufgewachsene, inzwischen in New York lebende Sängerin und Pianisten hat sich ganz der klassischen Form der Bossanova verschrieben, das dokumentiert sowohl ihre Songauswahl als auch die Arrangements, die sie für die Lieder wählte - oft recht eng am Original.
Gleich der Eröffnungstitel, das legendäre "Girl from Ipanema", betont mit großem Orchester und jazzigem Piano die klassische Linie der Bossanova. Ganz im Sinne ihrer Idole kontrastiert sie die ausladenden Instrumentierungen mit betont pathosfreiem Gesang, fast gleichförmig - ein Gesangsstil, den heutige Jazz-Interpretinnen wie Dianna Krall der Bossanova entlehnten, und auf den auch Eliane Elias hier wieder zurückgreift.
Mit der gleichen Entspanntheit interpretiert sie übrigens auch die Stücke, die zunächst so gar nicht zu ihrer Auswahl passen wollen. Denn neben den Bossanova-Klassikern wie dem bereits erwähnten "Girl from Ipanema", "Desafinado" und "Chega de saudade" hat sie auch US-amerikanische Standards wie "They can't take that away from me" (George & Ira Gershwin) und "Day in day out" (Johnny Mercer) eingespielt.
Dass sie auch diesen Songs etwas brasilianisches Lebensgefühl einzuhauchen weiß, erscheint überraschend, doch Eliane Elias vermag keinen Widerspruch zu entdecken: "Bossa-Nova-Komponisten waren stark von der populären amerikanischen Musik der 40er und 50er Jahre beeinflusst." Schon João Gilberto habe viele Songs amerikanischer Komponisten aufgenommen.
Eliane Elias ist beileibe keine Neuentdeckung. Dass Blue Note den 50. Geburtstag der Bossa Nova mit einem neuen Album von ihr feiert, hat gute Gründe. Schon seit Jahren setzt sie sich mit der Musik des Bossa Nova-Mitbegründers Antonio Carlos Jobim auseinander, zunächst als Pianistin ("Eliane Elias plays Jobim", 1989), später als Sängerin ("Eliane Elias sings Jobim"). Dass sie jedoch auch mit anderen Einflüssen zu experimentieren weiß, beweist nicht nur das Stevie Wonder-Cover "Superwoman" auf "Bossa Nova Stories".
Die Bossa Nova erscheint ihr dabei auch deshalb wie auf den Leib geschneidert, weil sie ihn mit ihrer anderen großen Leidenschaft verbinden kann: dem Jazz. Als Pianistin hat sie hier erkennbar ihr zweites Standbein, und so gelingen ihr auf "Bossa Nova Stories" die elektrisierendsten Momente, wenn sie zu kurzen Intermezzi in die Tasten greift, am stärksten wohl bei Joao Deodatos "A rã". Von wirklicher Improvisation bleibt sie dabei noch immer weit entfernt - das gebietet ihr der spürbare Respekt vor den Originalen.
Eliane Elias: "Bossa Nova Stories" erscheint am 22.08.2008 bei Blue Note/EMI.
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Michael Frost, 04.08.2008