"Für das kubanische Volk", sagt El Cigala, "ist Musik sein Zauber und seine reinste Ausdrucksform". Der Spanier entdeckte darin Parallelen zu den Roma, den spanischen gitanos, "ihrer Lebensweise, ihrer Art zu fühlen, mit Problemen, die von allen Seiten auf sie zukommen", umzugehen. Aus der Beobachtung wurde schließlich ein Album: "Lagrimas negras", eine Zusammenarbeit mit dem kubanischen Jazz-Pianisten Bebo Valdés, die sogar einen Grammy erhielt.
Nun ist El Cigala, der als einer der führenden Flamenco-Interpreten Spanien gilt, ein weiteres Mal nach Kuba gereist, um Inspirationen für eine Fortsetzung zu suchen: "Dos lágrimas". Das Album, in Spanien bereits im vergangenen Jahr erschienen, vereint eine Sammlung teils legendärer kubanischer, aber auch anderer Standards, die in das Konzept aus Bolero, Són und Flamenco eingefügt werden.
"Dos gardenias", dank der anrührenden Interpretation der Buena Vista Social Club-Veteranen Ibrahim Ferrer und Omara Portuondo ein Welthit, wird von El Cigala vollkommen neu interpretiert: temporeich, mit unvermittelt einsetzendem Merengue-Rhythmus, während El Cigala seine raue, flehende Flamenco-Stimme darüber legt.
Der inzwischen 82-jährige Guillermo Rubalcaba (Vater des nicht minder berühmten Jazz-Pianisten Gonzalo), zeigt sich als Klavierbegleiter und -solist in Höchstform. In Kuba gilt er als "der Mann mit den goldenden Händen" - auf "Dos lágrimas" zeigt er, warum.
Nach dem Album mit Bebo Valdés war die Zusammenarbeit mit Rubalcaba für El Cigala erneut ein besonderes Erlebnis: Ein Klavier gehört nicht zum Flamenco-Set, und entsprechend habe er vor "Lágrimas negras" "noch nie mit Klavierbegleitung gesungen". Im Unterschied zu Valdés, dessen Klavierspiel sehr jazz-betont ist, steht Rubalcaba fest in kubanischer Tradition, die er mit virtuosen Händen öffnet, um Platz zu schaffen für neue Einflüsse.
Die Mischung aus alten Granden wie Rubalcaba und jungen Musikern, darunter El Cigalas angestammter Gitarrist El Morao, macht das besondere Flair des Albums aus. Die Freude, Ungewohntes zu probieren, Altbekanntes neu zu interpretieren, ist in jedem Lied spürbar, am deutlichsten wohl in "Caruso", dem ursprünglich italienischen canzone von Lucio Dalla. Nach mehreren vergeblichen Anläufen, das Lied in das Albumkonzept einzufügen, sagt El Cigala, wurde es schließlich als Tango eingespielt - mit Richard Galliano am Bandoneon.
"Dos lágrimas" ist eine brilliante, immer wieder Atem beraubende Aufnahme der Extraklasse, berauschend und berührend in ihrem Ausdruck von persönlichem Charisma, Temperament und Leidenschaft.
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Michael Frost, 09.08.2009