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Der leise Romantiker


Vielleicht hat man Yves Duteil in Deutschland in den vergangenen Jahren etwas aus den Augen verloren. Obwohl er seit den 70er Jahren regelmäßig neue Platten veröffentlicht hat, scheint seine "große" Zeit, also die 70er und 80er Jahre, als er auf seinen Tourneen das Pariser Olympia an mehreren aufeinander folgenden Abenden mühelos füllte, vorbei.

Umso mehr überrascht sein neues Album "Sans attendre": Yves Duteil hat sich praktisch nicht hörbar verändert, seit sein 1977 veröffentlichter Titel "Prendre un enfant" zum Welterfolg avancierte und ihn zu einem der erfolgreichsten französischen Chansoniers machte.

Yves Duteil 2002 verfolgt noch immer die Linie, der er seine frühe Popularität verdankt. In seiner Heimat gilt er als engagierter Verfechter der französischen Sprachkultur. Das Chanson als wahrscheinlich französischste aller Kulturtraditionen ist folgerichtig das Genre, in dem er zuhause ist, und seine samtweiche Stimme, die bedächtigen Melodien, akustische Arrangements und leise-romantischen Texte machten ihn seit den späten 70er Jahren zu einem der wichtigsten Vertretern des klassischen, reinen Chansons.

Durch seine politischen Aktivitäten (Duteil wurde Anfang der 90er Jahre Bürgermeister in Précy-sur-Marne, einer Ortschaft mit gerade 500 Einwohnern, außerdem engagiert er sich in zahllosen Vereinen und Initiativen für die Rechte von Kindern, den Umweltschutz, Tibet und die Bewahrung der Werke von Emile Zola) geriet seine Karriere zwar gelegentlich ins Hintertreffen, doch "Sans attendre" macht deutlich, dass er noch immer ein bemerkenswerter Songpoet ist.

Seine stillen Lieder sind nach wie vor von zeitloser Schönheit und schnörkelloser Eleganz, sein sanfter und weicher Gesang wirkt wie Balsam für die Seele, und er bleibt selbst dann noch der Gleiche, wenn er sich einmal vom Chanson entfernt. Doch das passiert nur selten, auf "Sans attendre" nur bei einem einzigen Stück, nämlich "Vivre sans vivre", einer gelungenen Adaptation des Bossanova-Hits "Samba em preludio" von Baden Powell und Vinicius de Moraes, von Duteil im Duett mit der Brasilianierin Bïa gesungen.

"Sans attendre" ist somit die fällige Gelegenheit, Yves Duteil im Jahr seines 30-jährigen Plattenjubiläums (seine erste Single "Virages" erschien 1972) noch einmal neu zu entdecken.

© Michael Frost, 12. Oktober 2002
Foto: yvesduteil.com

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