Wenn
es nicht längst out wäre, über den Sommer 2004 in Deutschland
zu jammern, könnte man das den ganzen Tag machen. Aber da schon
viele Medien und mehr als genug kleingeistige Zeitgenossen den Meckerpart
übernommen haben ("zu kalt für die Jahreszeit"
könnte zur Phrase des Jahres werden), lohnt es sich vielmehr,
zu retten, was zu retten ist. Und wer das im Januar 2004 in Deutschland
erschienene Album The Flame' der spanischen Band Dover besitzt,
ist längst gerettet. Die Sonne im Herzen tragen ist in.
Auf
den allerersten Blick ist alles ganz normal: Dover besteht aus ein
paar Leuten, die gerne Bier trinken, das eine oder andere rauchen,
Fastfood essen, Chucks tragen und unter ihren verstrubbelten Frisuren
Grimassen schneiden. Das trifft auf so ziemlich alle The'-Bands
der letzten Jahre zu, und dass sich im Booklet von The Flame'
auch ein Foto von den Beatles findet, verwundert nicht. Nun ist Dover
aber keine The'-Band, und die Musik klingt auch nur ein bisschen
danach.
Die Schwestern Cristina und Amparo Llanos sowie Alvaro Díez
und Jesús Antúnez, alle aus Madrid, bringen auf The
Flame' zwölf Songs zustande, die nach großer Bühne
klingen und nach kleinen Clubs, nach Sonne und Rock'n'Roll; wenn man
einen Film zu dieser Musik drehen würde - verdient hätte
sie es -, müssten darin mindestens ein Strand, ein total abgewracktes,
gerade noch fahrtüchtiges Auto und zwei manchmal betrunkene,
immer sehr verliebte Menschen vorkommen.
Im
Klartext: Selten haben spanische Musiker Gitarren schöner randalieren
lassen; und noch seltener hat man eine Zuckerpop-Stimme wie die von
Cristina Llanos so melodiös kippen und kratzen gehört wie
auf The Flame'. Mal zart ins Mikro flötend, mal wild durch
die Gegend kreischend vermittelt die Sängerin von Dover einen
Eindruck davon, was es heißt, das Potential von Pop maximal
auszuschöpfen. Hier ein bisschen Rock, da eine Menge Punk, und
dazu immer viele lupenreine Melodien, die beweisen, dass diese Band
aus Spaniens Hauptstadt durchaus in der Liga der großen (Retro-)Poprocker
mitspielen kann.
Und das jetzt, nach ihrem fünften Album, auch unbedingt sollte.
Dass
man auch nach dem zehnten Durchhören keinen Song entdecken kann,
bei dem man sehnsüchtig zur forward-Taste blickt oder diese betätigt,
spricht für sich. Natürlich gibt es besonders fantastische
Stücke ('The Flame', Honest', Die For Rock'n'Roll');
aber bei einer durchschnittlichen Songlänge von 2:30 Minuten
kann man sicher sein, dass kein selbstdarstellerisches Gitarrensolo,
kein ewiges Schlagzeugzwischenspiel, kein zehnminütiges Bass-Intro,
kurz: kein Ton zuviel auf die Platte gelangt ist.
Wer
The Flame' kennt, wird den Sommer 2004 nicht aufgeben. Mal abgesehen
vom Wetter ist er schließlich perfekt.
"Dover:
The Flame"
ist ein Gast-Beitrag von Friederike Haupt.
© Friederike Haupt, Juli 2004
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