Es
ist wie eine Zeitreise. Ohne sich genauer mit der Interpretin beschäftigt
zu haben fällt es schwer, sich auf das Entstehungsjahr von "Amor
Amor" festzulegen. "Quien sera", "Amor amor",
"Quisaz, quisaz, quisaz" oder "rhum and coca-cola"
- um nur die ersten vier Titel dieses hinreißenden und ungeheuer
eleganten Albums zu nennen - sind Titel, die jedes Kind wenigstens mitsummen
kann.
Für
Arielle Dombasle scheint die Aufnahme dieser Lieder pures Vergnügen
gewesen zu sein. Man mag sich ja fragen, weshalb es notwendig ist,
den unerreichten Originalfassungen die x-te Coverversion zur Seite
zu stellen. Doch bevor man darüber genauer nachdenken kann, ist
man dem Charme von Arielle Dombasle bereits erlegen. "Quiero,
perderme en tu mirada", flötet sie mit flehender Stimme,
der man verführerisches Parfum, anmutige Bewegungen und den sinnlichen
Augenaufschlag der Interpretin anzuhören meint.
Und
so bekennt der Rezensent, dieser Interpretin in kürzester Zeit
hoffnungslos erlegen zu sein, er schmachtet mit ihrer nostalgiebetonten
Version des Casablanca-Klassikers "As time goes by", lauscht
andächtig der hellen Glockenstimme ihrer Charles Trenet-Adaption
"I wish you love" und freut sich über ihren Coup, keinen
Geringeren als Julio Iglesias als Duettpartner gewonnen gelenkt zu
haben. Und sie behält die Oberhand: Iglesias, der Prototyp des
Latin Lover, wird im Angesicht ihrer Sirenenstimme und des schwelgenden
Geigenorchesters zu Wachs.
Doch
damit nicht genug: Iglesias' All-Time-Favourite "amor amor",
der dem Album auch den Titel gab, singt Arielle Dombasle dagegen -
völlig zu Recht - allein: Akustikgitarre, mexikanische Geigen,
Percussions und der Anmut ihrer Performance lassen dem Pathos des
Originals keine Chance.
Doch
wer ist diese Lorelei, an deren Felsen die kritische Distanz des Rezensenten
zerschellt? Arielle Dombasle lebt in Paris (wo sonst? - fragt der
Pressetext rhetorisch), doch sie wuchs als Enkelin des französischen
Botschafters in Mexiko fern der Heimat auf. Vielleicht entdeckte sie
schon dort ihre Liebe zu den Boleros und Mariachi-Klängen, die
den Sound auf "amor amor" tragen, und so verstanden wäre
das Album auch ein Gruß an die eigene Kindheit.
Inzwischen
ist Arielle Dombasle ein klangvoller Name der Pariser High Society,
nicht nur aufgrund der fünf Alben, die sie seit 1980 veröffentlichte.
Ihr Schwerpunkt liegt beim Film: als Schauspielerin arbeitete sie
mit Regisseuren wie Eric Rohmer, Roman Polanski, Agnes Varda, Raoul
Ruiz, John Malkovich und Claude Lelouch. Zweimal führte sie bereits
selbst Regie, auch die Drehbücher dafür schrieb sie selbst.
Seit
1993 ist sie mit Bernard-Henri Lévy verheiratet, einem der
bedeutendsten französischen Philosophen der Gegenwart, und gemeinsam
führt das Paar offenbar ein mondänes Leben in diversen Wohnsitzen
in Paris, Marrakesch und an der Riviera. Das Image passt zur Zeitreise,
die Arielle Dombasle mit ihren dreizehn Liedern unternimmt, und wird
auch optisch unterstrichen: das Booklet zeigt sie in exquisiten Schwarz-Weiß-Fotografien
in der eleganten Pose glanzvoller Hollywood-Diven.
Das
Image ist wohl kalkuliert. Ob als kokette Andrews-Sister oder im kühlen
Hosenanzug einer Marlene Dietrich: Arielle Dombasle zieht alle Register,
um ihr Publikum in kürzester Zeit um den kleinen Finger zu wickeln.
"Quiereme, mucho mucho quiereme", flötet sie erneut,
und wiederum ist es um ein paar Hörer-Herzen geschehen.
©
Michael Frost, 20.05.2006