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Dem Glück auf der Spur


"Traditionelle Klänge aus dem Senegal" verspricht der Begleittext zu Wasis Diops neuem Album "judu bék". Doch was man hört, will so gar nicht zu dem erwarteten Klischee passen. Mit ruhiger, bedächtiger und sanfter Stimme singt Diop davon, dass er von einem Mann träumte, der ihm eine Geschichte "in goldenen, gelben und Okerfarben" erzählte. Das beherrschende Instrument ist die Pedal-Steel-Gitarre, die nach Hawaii klingt und in der Countrymusik verwendet wird.

Wasis Diops Vision von traditioneller Musik ist, so spürt man von Beginn an, eine sehr weltläufige, und genau hierin liegt der Reiz seiner Musik, schon immer, spätestens seit 1990, als er für die tunesische Sängerin Amina die wunderschöne Ballade "C'est le dernier qui a raison" schrieb, mit dem sie Frankreich beim Eurovision Song Contest vertrat und sensationell Zweite wurde - einer der letzten Erfolge, den Frankreich bei diesem Wettbewerb überhaupt erzielen konnte.

Seither gehört Wasis Diop zu den wichtigsten und vielseitigsten westafrikanischen Musikern. Er schrieb nicht nur für den "Grand Prix", sondern auch Filmmusik, er veröffentlichte eigene Alben, arbeitete mit Kollegen wie Amadou & Mariam und David Byrne.

"Judu bék" nun ist eine spannende, raffiniert und elegant entwickelte Auseinandersetzung mit verschiedenen Stilen: Die traditionelle Folklore erscheint häufig nur noch als Zitat, ebenso wie die Elemente aus Soul, Jazz und Folk, seine wahre Bestimmung findet der Musiker als Geschichtenerzähler - und darin ist er zutiefst in der Tradition (nicht nur) seiner Kultur verwurzelt: In der Musik überliefern Menschen ihre Geschichte(n), Legenden, Regeln, Weisheiten, zum Beispiel "Let it go", einer Geschichte über das Wesen des Glücks: "Kus, das Glück", singt Wasis Diop, "erreichte große Reichtümer ohne jemals dafür gearbeitet zu haben ... Im wirklichen Leben werden die, die sich am meisten anstrengen, nicht immer angemessen belohnt. Nur Kus weiß warum, aber er verriet es niemandem ..."

Wasis Diop beschreibt die Menschen in den Städten seiner Heimat, er beobachtet das Schicksal einer Stechmücke, sinniert über die Zukunft des Straßenverkehrs, streut kleine Lebensweisheiten ein, so dass, wie es nur den guten Geschichtenerzählern möglich ist, immer zwei Lesarten möglich sind: Bei genauer Betrachtung erscheint die konkrete Ebene als Parabel, mit einer einer klugen Botschaft, die den Sänger zum Dichter werden lässt - und seine Liedtexte entsprechend zu Gedichten. Die textliche Begrenztheit westlicher Popmusik überwindet er mit großer Selbstverständlichkeit, und doch bilden Anspruch und Unterhaltung in seiner Musik eine Einheit, keinen Gegensatz.

Wasis Diop lebt seit vielen Jahren in Europa, aber selbstverständlich erscheint ihm das Leben hier deshalb nicht. So bewahrt er sich einen Rest Distanz, die er in feiner Ironie, auch Selbstironie, auszudrücken versteht, wie in der Geschichte, die er abseits der Liedtexte im Booklet zu "judu bék" erzählt: "Nach acht Tagen Schiffs- und Zugfahrt, kam ich im 'Gare de Lyon' an, weigerte mich jedoch auszusteigen, weil mein Reiseziel Paris - nicht Lyon - war, bis ein senegalesischer Mann von der Reinigungscrew der Bahn mir erklärte, dass der Pariser Bahnhof 'Gare de Lyon' hieß. Oh, ich verstehe ..."

© Michael Frost, 16.08.2008

 


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