Man
kennt das von Büchern: Wenn sie einen nicht gleich auf den ersten
Seiten fesseln, wird es schwer. Man schleppt sich durch die Seiten,
versucht sich hineinzulesen - um es dann schlimmstenfalls doch irgendwann
enttäuscht zur Seite zu lesen. Wie großartig ist es aber
im Gegenteil dazu, wenn man sofort in eine Handlung eintauchen kann
- um erste mehrere hundert Seiten später erschöpft festzustellen,
dass man gut und gerne noch etwas mehr gelesen hätte.
Musik
funktioniert oft genauso, und "The human thing" ist zweifellos
ein Beispiel für die zweite Kategorie, auch wenn die Band aus
dem belgischen Gent es ihrem Publikum nicht ganz leicht macht. Da
ist zunächst der merkwürdige Bandname: "Das Pop",
als handelte es sich dabei um irgendein unbekanntes Phänomen.
Erschwerend hinzu kommt das ungesund rote Kindergesicht auf dem Albumcover,
über dessen Bedeutung an dieser Stelle nicht weiter nachgedacht
werden soll - man soll Menschen nicht nach ihrem Äußeren
beurteilen, und das gilt für CDs schon lange.
"Your
favourite band, now also available with emotion." Auf ihrer Website
gibt sich Das Pop selbstbewusst, neigt aber zum augenzwinkernden Understatement:
Ausgerechnet ihr Debütalbum von 2001 mit dem Titel "I love"
soll emotionslos gewesen sein?
Niek
Meul, Lieven Moors, Reinhard Vanbergen und Bent van Looy, die Wert
auf die Feststellung legen, dass sie alle Songs gemeinsam schreiben,
beschreiben mit "The human thing" so etwas wie den Status
Quo der Popmusik Anno 2004. Das beginnt bereits mit dem fesselnden
Einstieg "You" mit seinem schnellen Rhythmus, der akustischen
Gitarre und einer dramaturgisch perfekten String-Inszenierung: Pop
voller Gefühl, aber ohne jeden Anflug von Kitsch - noch nicht
einmal in der am Ende präsentierten deutschsprachigen Fassung
("Du brichst mein Herz, du spaltest mich in Stücke links
und rechts ...").
Kontrastiert
werden diese weicheren Töne durch Elektro- und Britpop-Elemente,
die immer wieder die Oberhand über "The human thing"
gewinnen. Die Balance zwischen leisem, balladeskem Songwriterpop einerseits
und progressiv-lauten Poprock-Songs andererseits wird mit jedem Song
neu justiert. Flöten, Geigen und Saxophon treffen in raschem
Wechsel auf machtvolle E-Gitarren - und immer wieder auf Bent van
Looys wundersame Stimme, in der sich Charisma und Selbstbewusstsein,
aber auch Introspektive und Melancholie vereinen.
So
stellt man schließlich, erschöpft aufgetaucht nach knapp
sechzig kurzweiligen Album-Minuten, mit Stauen fest, dass der Bandtitel
schon passt: Das Pop ist ein Phänomen, nicht mehr ganz so unbekannt
wie vor "The human thing", aber noch immer mit reichlich
Möglichkeiten zur Erforschung und Entdeckung.
Das
Pop: The human thing
Haldern Pop Recordings/Cargo 23493
©
Michael Frost, 27.11.2004