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Bekenntnis zur
Verweigerung


Am Ende von Robert Altmans Film "Prêt-à-porter" über die Pariser Modeszene defilieren die Models nackt über den Laufsteg. Sie reagieren damit auf die schnelllebigen, auf Trends und Hypes versessenen Branchengesetze und ihre immer absurderen Marktmechanismen. Die endgültige Antwort auf das "Höher, schneller, weiter" sieht Altman in der Verweigerung: die Models ziehen gar nichts mehr an.

Ähnlich verhält es sich auch mit The Cure. Die Band um Robert Smith hat sich nie irgendwelchen Trends angepasst, sondern seit der Veröffentlichung ihres ersten Albums 1979 ("Three imaginary boys") einen eigenständigen und unverkennbaren Sound geformt, der seinerseits zum Trend für andere wurde. Und nachdem sie im vergangenen Jahr den Reigen ihrer intensivsten Alben "Pornography", "Disintegration" und "Bloodflowers" mit der Live-Einspielung dieser "Dark Trilogy" im Berliner Tempodrom abgeschlossen hatten, war die Zeit reif für eine Standortbestimmung - und anschließende Neuorientierung.

The Cure haben sich von Plattenverträgen, Marktgesetzen und -strategien verabschiedet. Statt der geplanten Auflösung haben sie sich mit Geffen Records ein Label gesucht, das ihre Ansprüche respektiert. Jetzt veröffentlichen sie ein Album, das als Titel nur noch den Bandnamen trägt: "The Cure".
Für die Covergestaltung gab es kein Fotoshooting mit Starfotografen, sondern Kinderzeichnungen auf Schreibpapier. Ansonsten wurde, wie eine der Erstauflage beiliegende "making of"-DVD zeigt, ein gutes Dutzend Gitarren ins Studio geschoben, abwechselnd eingestöpselt und drauflos gerockt. Wohl auf keinem bisherigen Cure-Album treten die verspielten, single-tauglichen Popmelodien früherer Jahre so sehr in den Hintergrund wie auf dieser eigenwilligen und verblüffenden Veröffentlichung.

Die aktuelle Besetzung mit Mastermind Robert Smith (Gesang, Gitarre), Simon Gallup (Bass), Perry Bamonte (Gitarre), Jason Cooper (Drums) und Roger O'Donnell (Keyboards) ist vermutlich die beste in der 25-jährigen Bandgeschichte. Trotz der herausgehobenen Stellung von Robert Smith innerhalb der Band selber und sowieso in der Öffentlichkeit, funktioniert die Gruppe als Team, verfügt über ebenso viel Routine wie Spiellust und Experimentierfreude, präsentiert sich live seit Jahren in Bestform - und harmoniert offenkundig auch unter Aufnahmebedingungen. Denn "The Cure" wurde live im Studio eingespielt - erstmals übrigens unter der gestrengen Regie von Producer Ross Robinson.

"The Cure" wird fast völlig von dröhnenden und drängenden Gitarrenriffs beherrscht, die sich, entsprechend der typischen Cure-Dramaturgie, in Songs von teilweise zehn Minuten Länge zu gebirgshohen Wellen aus Klängen auftürmen, um schließlich donnernd und voller Gewalt über den Zuhörer hereinzubrechen. Die Erlösung in Form einer melancholischen Ballade, bei der dann auch Keyboarder Roger O'Donnell einmal wieder zum Zuge kommt, muss im Zusammenhang dieses Albums eher als Bonus-Track verstanden werden denn als wirklicher Bestandteil dieser neuen Phase in der langen Karriere von The Cure.

Die Rückkehr zum Gitarrenrock ist The Cures Bekenntnis zur Verweigerung. Wie die Models bei Robert Altman zeigt sich auch die Band - in musikalischer Hinsicht - nackt. Einzig der verschmierte Lippenstift um Smiths Lippen und die Vogelnestfrisur könnten noch als künstlich gelten, doch in seinem Falle sind sie längst Teil der Natur.

© Michael Frost, 28. Juni 2004

 


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