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Ein Quantum Trost


Es war wie immer: von Mythen umrankt - Kommt es? Wann? Als Doppel-CD? Mit Pop-Songs oder als "dark album"? Und zwischendurch - auch dies wie immer - schien es, als würde es Mythos bleiben. Robert Smith, Kopf und Stimme von The Cure, versteht es wie kein zweiter Bandleader, Presse und Fans mal mit mehr, mals mit weniger glaubhaften Ankündigungen zur Verzweiflung zu treiben.

Doch im Frühjahr, knapp nach Abschluss einer der besten Tourneen der Bandgeschichte, wurde "4:13 Dream" mit einer am 13. eines jeden Monats veröffentlichten Single endlich angebahnt. Eine EP mit Remixes der Singles musste zwar nochmals zwischengeschoben werden, doch nun ist "4:13 Dream" da - und wird auch nicht mehr hergegeben.

Nicht von ungefähr spielen The Cure mit der Zahlenmetapher "13", sie zeigen damit jedoch lediglich, dass sie zu ihrem stereotypen Image der "todtraurigen, verzweifelten, suizidal einwandfreien Songs" (Frankfurter Rundschau) ein sehr ironisches Verhältnis pflegen. Die "4" steht für das aktuelle Lineup: Seit ihrem letzten, selbst betitelten Werk haben Perry Bamonte und Roger O'Donnell die Band verlassen, während Bassist Porl Thompson - bereits zum zweiten Mal - ein Cure-Comeback feierte.

Thompson war zuletzt 1992 an dem Album "Wish" beteiligt, ebenso wie zuvor an "Disintegration" (1989), "Kiss me Kiss me Kiss me" (1987), "The head on the door" (1985) und "The Top" (1984). Damit entstanden nahezu allen großen Cure-Hits von "In between days" und "Close to me" über "Just like heaven", "Lullabye" bis zu "Friday I'm in love" unter seiner Beteiligung.

So ist es, nach dem epochalen "Bloodflowers" (2000) und dem gitarrenlastigen "The Cure"-Album (2004) zunächst eine Überraschung, bei genauer Betrachtung aber wohl kein Zufall, dass das neue Album an zentralen Stellen immer wieder die Nähe zu der Phase sucht, in der die Band ihre erfolgreichsten Hits und Alben veröffentlichte. "Underneath the stars" etwa ist eine typische Cure-Album-Ouvertüre im Stil des "Disintegration"-Openers "Plainsong", während der folgende, bereits als Single ausgekoppelte Song "The only one" in direkter Verwandtschaft zu "Just like heaven" steht.

In "Switch" mag man den druckvollen Rhythmus epischer Song-Meisterwerke wie "Disintegration" oder "From the edge of the deep green sea" erkennen, "Freakshow" wiederum erinnert an einen der herrlich überdrehten Pophits der 80er Jahre, die The Cure zu Gallionsfiguren der "New Wave"-Ära machten. Auch der simple, aber höchst vergnügliche Ohrwurm "Sleep when I'm dead" hätte in einem früheren Jahrzehnt wohl das Zeug zum Charthit gehabt - und hierin mag so mancher Vorworf begründet sein: Erstmals erfinden The Cure sich mit einem Album nicht neu, sondern bauen ihre Songs ausschließlich auf Zitaten ihrer eigenen Bandgeschichte auf.

Das kann man Smith, Thompson, Simon Gallup und Jason Cooper vorwerfen, doch ein Zitat ist noch keine Kopie. Immerhin ist "4:13 Dream" keine billige Wiederholung alter Songideen, sondern eher die Weiterentwicklung einer Phase, die nach "Wish" und dem leider unterbewerteten Nachfolger "Wild Mood Swing" abgerissen war. Ohne Zweifel: Mit "The only one", "Freakshow" und "Sleep when I'm dead" enthält "4:13 Dream" die besten Popsongs der Band seit fünfzehn Jahren, doch auch die rockbetonteren Titel können sich hören lassen - etwa das laute, wütende "The scream", mit dem Smith auch auf dem neuen Album die andere, dunkle Seite der Band betont.

Videolink: "Sleep when I'm dead" (Quelle: youtube.de)
 

Der Wechsel zwischen diesen Facetten wird von einigen Kritikern als "Gemischtwarenladen" bekrittelt, und tatsächlich ist "4:13 Dream" kein atmosphärisch homogenes Album. Doch das waren die Alben von The Cure eigentlich nie: Selbst die Alben der so genannten "Dark Trilogy" ("Pornography", "Disintegration" und Bloodflowers") zogen, breiter und kompromissloser als jede andere Band, diesen unverwechselbaren Spannungsbogen zwischen verrückter Ausgelassenheit und verzweifeltem Weltschmerz - und genau darin besteht auch heute noch der Reiz der Band - und ihres 13. Albums. Die lange Wartezeit hat schließlich ein tröstliches Ende genommen.

Robert Smith, der übrigens weitaus mehr Humor besietzt als sein Image glauben machen will, setzt das Versteckspiel schon mal grinsend fort: Noch vor seinem 50. Geburtstag im kommenden April, ließ er kürzlich wissen, soll Album Nr. 14 erscheinen.

© Michael Frost, 01. November 2008


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