Sie könnte die Nichte von Mercedes Sosa sein, eine jüngere Verwandte der Kubanerin Omara Portuondo oder einer Brasilianerin wie Maria Bethania: Eliana Cuevas, gebürtige Venezolanerin mit Wohnsitz in Toronto. Von dort aus begann sie im Jahr 2003, die sehr französisch geprägte kanadische Jazzszene mit lateinamerikanischem Temperament aufzumischen - nachdem sie zuvor in verschiedenen Formationen Pop, Salsa, Reggae und sogar Flamenco gesungen hatte.
Eliana Cuevas ist heute nicht nur Interpretin, sondern auch Komponistin und Texterin. "Luna llena", in Deutschland bei dem exquisitiven Jazzlabel "Minormusic" erschienen", besteht fast ausschließlich aus ihren eigenen Songs und präsentiert das Multitalent in einer Mischung aus Jazz, Salsa, südamerikanischer Folklore und Flamencopop.
Gerade der Titelsong ist in dieser Hinsicht stilbildend: Eliana Cuevas mischt Flamencogitarre (Jorge Miguel) mit einer Vielzahl südamerikanischer Percussions (Luis Orbegoso und Daniel Stone), während sie selbst in der Manier mexikanischen Mariachigesangs den Vollmond beschwört: "Luna que luna mi luna ..."
Hochinteressant ist auch ihr Umgang mit der einzigen Coverversion des Albums. Ausgerechnet den wohl berühmtesten lateinamerikanischen Hit überhaupt wählte sie aus: den Bossanova-Klassiker "Garota de Ipanema". Eliana Cuevas verzichtet wohlweislich auf eine Kopie von Astrud Gilbertos unvergessenem Gesang. Statt dessen eilt sie nervös durch die Gesangspartien, um den Song in der Hauptsache der Improvisationskunst ihrer Begleiter zu überlassen: Luis Guerra (Piano), George Koller (Bass) und Don Thompson (Vibraphon). Es ist ein mutiger, eigenwilliger und von großem Selbstbewusstsein zeugender Umgang mit einer übergroßen Vorlage, der hier die ganze Klasse der Jazz-Sängerin Eliana Cuevas zeigt.
Schon als Eliana Cuevas 2006 erstmals für einige Konzerte nach Deutschland kam (u.a. spielte sie auf dem Reeperbahn-Festival, im Berliner Jazz-Club "A trane" und im Sendesaal von Radio Bremen), erhielt sie begeisterten Zuspruch. Der dürfte ihr angesichts der elektrisierenden Stücke auf ihrem neuen Album auch bei künftigen Besuchen sicher sein.
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Michael Frost, 30.08.2009