Auf
Kuba, so scheint es aus der Entfernung, ist die Musik in Rentnerhand.
Unser Bild vom Rhythmus der Karibikinsel wird vom "Buena Vista
Social Club" geprägt. Doch nun gerät das Image ins Wanken:
Haniel Gonzales Martinez, José Angel Sastre Perez und Javier
Duran Webb fanden sich bereits Mitte der 90er Jahre zusammen, veröffentlichten
aber erst 2002 ihr Albumdebüt: "Soy cubanito".
Der
programmatische Titel wurde zum Beginn einer ungewöhnlichen Karriere,
deren Erfolgswelle das Trio schließlich bis nach Europa spülte.
"Tocame" ist das zweite Album der Band, das eine ungewohnte
Mixtur karibischer und lateinamerikanischer Sounds vereint. "Reggaeton"
nennt sich dieser Stil, der aus Reggae, Dub, Dancehall, Hiphop und
Latin zusammengefügt wird.
Im
Mittelpunkt steht der rhythmische Sprechgesang, der von Latin- und
Reggaebeats untermalt wird. "Reggaeton", wie er von Cubanito
20.02 in Szene gesetzt wird, ist Partymusik, lebensfroh und temperamentvoll,
wie man es von lateinamerikanischer Musik erwarten würde, und
hat aufgrund seiner Vereinigung verschiedener kultureller Einflüsse
auch eine soziale Bedeutung. Die spiegelt sich gewöhnlich auch
in den Texten wider, in denen auch "verschlüsselte Systemkritik
geübt wird" (wikipedia), doch leider enthält das Bookelt
zu "Tocame" keine Texte oder gar deren Übersetzungen,
um die Einlösung dieses Anspruchs auch für das internationale
Publikum nachvollziehbar zu machen.
Den
Kubanern jedenfalls - und längst nicht mehr nur ihnen - gefällt
dieser Sound, und Cubanito 20.02 ist eine der erfolgreichsten kubanischen
Bands überhaupt. Für europäische Ohren bieten Cubanito
20.02 eine lang ersehnte Erneuerung der ritualisierten Hiphop-Szene.
"Tocame" ist rythmisch, kraftvoll und feurig, also genau
der richtige Sound, um die Müdigkeit des langen Winters zu vertreiben.
©
Michael Frost, 19.02.2006