Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Was ist die Nachricht?


"Der Präsident sprach tröstende Worte mit Tränen in den Augen // anschließend führte er uns als Nation in einen Krieg, der auf Lügen basierte." Würde beispielsweise Herbert Grönemeyer es wagen, diese inzwischen mehr als banale Erkenntnis über die Folgen des Anschlags auf das World Trade Center in solch schlichte Lyrik zu verpacken - man würde mit seinen eigenen Worten zurückfragen: "Was soll das?". Oder: What's the news?

Nun stammt der Satz natürlich nicht von Grönemeyer, sondern von Sheryl Crow, immerhin einer der profiliertesten Musikerinnen der USA, einer 9-fachen Grammy-Gewinnerin. Jedes ihrer Alben landete in den Top 10 und wurde mit Platin ausgezeichnet - und "Detours", ihr neues Werk, wird da keine Ausnahme machen.

Also scheint Sheryl Crow sich mit ihrer Musik jeweils auf der Höhe des Zeitgeists zu befinden, womöglich drückt sie aus, was "die Nation" bewegt, und sie findet dafür ähnlich einfache Worte wie man das aus den Reden US-amerikanischer Präsidenten oder derer, die es werden wollen, kennt. "Yes, we can" lautet etwa Barack Obamas Schlachtruf in einer ebenso genialen wie trivialen Verdichtung dessen, was man gemeinhin als das "andere" Amerika bezeichnet.

Nun lässt das Format Pop-Musik vielleicht keine tiefergründigen politischen Analysen zu. Dennoch bewegt sich Sheryl Crow sowohl textlich als auch musikalisch allzu sehr auf Allgemeinplätzen, die niemandem wirklich wehtun, weil sie ihre Position nicht zuspitzt. Das ist für eine Mainstream-Künstlerin zwar legitim, aber auf die Dauer langweilig, und auch die Frage "If there's a God where is he now?" ("Shine over Babylon") ist nicht mehr wirklich originell.

Natürlich ist es ehrenwert, dass Sheryl Crow zur Unterstreichung ihrer ernsten Absichten in Bezug auf die Überwindung des amerikanisch-arabischen Konflikts in dem beschwörenden "Peace be upon us" ein Duett mit dem arabischen Interpreten Ahmed al Hirmi anstimmt. Und angesichts vieler Amerikaner, die Obama schon deshalb nicht wählen wollen, weil sein Name wie "Osama" klingt, mag diese Kooperation bereits als mutig gelten. Die Aufmerksamkeit, die Crow dadurch genießt, sagt jedoch mehr über den Nachholbedarf der Weltmacht USA in Bezug auf ihr Verhältnis zur Welt als über die Qualität von Sheryl Crows Musik. Einige ihrer Kolleginnen sind längst einen Schritt weiter - und müssen dafür auf Grammy-Nominierungen verzichten oder werden lediglich in der Kategorie für die beste Verpackung ihrer CD nominiert.

So ist "Detours" über weite Strecken ein sehr am Mainstream orientiertes Album, das vermutlich nur dann gerecht beurteilt werden kann, wenn man es aus der US-amerikanischen Perspektive betrachtet. Anderenorts dürfte sich ein leises Gähnen ausbreiten.

Nur einmal, im Song "Gasoline", gelingt ihr tatsächlich die kontroverse Zuspitzung, indem sie visionär über den Umgang der Welt mit dem letzten Ölkanister sinniert. "Gasoline" zeigt, dass Sheryl Crow durchaus zu schärferen Betrachtungen in der Lage ist.

Dennoch: Es bleibt der einzige auch textlich gelungene Höhepunkt dieses sehr am Mainstream orientierten Albums. Sheryl Crow achtet peinlich genau darauf, niemanden wirklich vor den Kopf zu stoßen, doch genau dies wünschte man sich von Künstlern ihres Formats. So bleibt nur die eingangs gestellte Frage: Was ist die Nachricht?

© Michael Frost, 23.02.2008

 


[Archiv] [Up]