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Die Aura eines Albums

 

Der skandinavische Jazz bezieht seine Inspiration aus der traditionellen Volksmusik, befanden verschiedentlich Kritiker und verwiesen zu Recht auf die Musik von Jan Garbarek bis Esbjörn Svensson. Ebenso gut könnte man den Beweis anführen, dass die Natur selbst die offenbar niemals versiegende Quelle kreativer Komponisten, Instrumentalisten und Interpreten aus dem Norden ist. Dieser Bezug gilt in besonderer Weise für Josefine Cronholm, ein Name, der vielen neu erscheint, weil "Songs of the falling feather" ihr erstes Album ist, das bei dem Münchener Jazz-Label ACT erscheint. Tatsächlich erhielt Cronholm schon 2003 eine Auszeichnung als schwedische Jazz-Interpretin des Jahres, zweimal gewann sie den Jazz-Grammy in Dänemark, wo sie seit langem zum Ensemble der großen Marilyn Mazur gehört.

Inmitten eines Waldes von Småland, wo Josefine Cronholm aufwuchs, konnte man "schreien, ohne dass jemand einen hörte, das war wunderbar", sagt sie. Doch nicht das eigene Rufen, sondern die Stille ihrer Umgebung ist das tragende Element ihrer Musik. In Bezug auf ihren Albumtitel heißt das, man könnte die Feder fallen hören, so still geht es in ihren leisen Liedern zu.

Kritiker verglichen sie einst mit Stina Nordenstam, der leider aus der Öffentlichkeit verschwundenen Songwriterin, deren Lieder manchmal so leise waren, dass man kaum noch etwas von ihnen hörte. Doch im Gegensatz zu Nordenstam ist Cronholms Bezugspunkt tatsächlich der Jazz, wenn auch nicht in seiner puristischen Form. Gemeinsam mit dem Henrik Lindstrand, der wie Cronholm seit Jahren in Dänemark lebt, entwickelte sie ein Klangkonzept aus instrospektiven Klavierläufen, einer einsamen, heiseren Trompete im Stil von Nils Petter Molvær (tatsächlich wird sie von einem anderen Norweger gespielt: Gunnar Halle), vorsichtiger Akustikgitarre, gelegentlichen Percussions und fein gewebtem Ambient-Hintergrund aus dem Computer. Josefine Cronholm schwebt mit hell leuchtender Stimme darüber.

Schon die Titel ihrer Songs erzählen eine eigene Geschichte: "Seagulls", "Fountain", "Mermaids", "Angel", "Quiet", ... - schließlich "Mystery", der sieben-minütige Abschluss eines Albums wie aus einem Guss.

Nicht nur die üblicherweise als Floskel beschriebene "dichte Atmosphäre" wird auf "Songs of the falling feather" beschworen. Josefine Cronholm haucht ihrem Album eine eigene Aura ein, die beim Hören den ganzen Raum füllt, die ungemein wohltuend und anregend ist, als habe sie die stille Erhabenheit der småländischen Wälder und die klare Frische der unzähligen Seen darin eingefangen. Kein Zweifel: Die Natur ist hier die Kraftquelle des Jazz.

© Michael Frost, 14.05.2010


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