Graham Coxon ist ein Vielschreiber. Und ein kreativer Kopf obendrein.
In acht Jahren bescherte uns der einstige Blur-Gitarrist sage und
schreibe sechs exzellente Scheiben. Nun ist sein neuester Geniestreich
erschienen, in dem sich alles um die Liebe dreht: "Love Travels
At Illegal Speeds".
Coxon galt als der musikalische Direktor des Quartetts Blur, dessen
dezent-pointierte Riffs vielen Blur-Singles den letzten Schliff verpassten.
Durch seine Texte und sein Auftreten etablierte sich allerdings Sänger
Damon Albarn zum Sprecher der Gruppe und wurde von den Medien, wie
das Musikmagazin "Spex" einst treffend formulierte zum "koketten
Wüstling und verzogenen Pilzkopf" stilisiert. Bereits zu
Blur-Zeiten hatte Coxon durch diverse Soloausflüge von sich Reden
gemacht. Der scheue Engländer mit der studentisch wirkenden Brille
gefiel sich mal in der Rolle eines nachdenklichen Singer-Songwriters,
mal eines aufbrausenden Punkwüstlings oder urigen Bluessängers.
Coxon erregte zunächst nur Aufmerksamkeit bei der Kritikerzunft,
konnte später aber eine treue und loyale Anhängerschaft
um sich scharen. Spätestens im vergangenen Jahr, als Coxon vom
NME zum besten Solokünstler gewählt wurde, wurde allen klar,
dass seine Musik - zumindest bei den englischen Fans - Gehör
findet. In Deutschland hingegen lässt der große Durchbruch
noch auf sich warten. Was sich mit der neuen Platte durchaus ändern
könnte.
Zunächst werfen wir kurz einen Blick zurück auf das Frühjahr
2002, in dem "Blur" ihr Meisterwerk "Think Tank"
veröffentlichten. Während der Aufnahmen mehrten sich die
Gerüchte, dass Coxon gar nicht im Studio anwesend sei. Wenig
später erklärte er seinen Ausstieg bei Blur, weil es unter
anderem zwischen ihm und dem Manager der Band zu Meinungsverschiedenheiten
wegen Alkoholproblemen gekommen war.
Für Coxon, der sich neben seiner Musik um seine dreijährige
Tochter kümmerte und nach zwei Aufenthalten in einer Entzugsklinik
keinen Alkohol mehr angerührt hatte, war eine Blur-Reunion unmöglich.
"Ich hatte das Gefühl, als sei ein riesiges Gewicht von
mir genommen", erklärte er in mehreren Interviews. Inzwischen
hat Coxon seine gesundheitlichen Probleme überwunden. Selbstbewusst
trällert er auf seinem neuen Album: "Standing On My Own
Again - Stehe wieder auf meinen eigenen Füßen."
Die ersten drei Songs auf seinem neuen Album präsentieren den
sympathischen Engländer im punkigen Hochgeschwindigkeitsrausch
- voller Leidenschaft und mit Ohrwürmern, von denen sich gehypte
Bands wie die "Babyshambles" eine Scheibe abschneiden können.
Auch in anderen Genres macht der 37-jährige eine gute Figur:
Herrlich entspannend die von sanften Flötentönen durchzogene
Ballade "Flights To The Sea", während der eingängige
Rocksong "What's He Got" dem Zuhörer einfach nur gute
Laune schenkt.
Die bekannten Schmetterlinge, die im Bauch fliegen, sie ziehen sich
wie ein roter Faden durch die Songs seines neuen Albums. Graham hat
die Liebe seine Lebens entdeckt, ist glücklicher Familienvater,
und zugleich auch ein neues Thema für seine Songs: "Die
neue Scheibe ist fleischlicher, während die anderen eher vegetarisch
waren", bekennt der Sänger gegenüber seiner Plattenfirma.
Ein ehrliches Statement, dem nichts mehr hinzuzufügen ist.
"Graham
Coxon: Love Travels At Illegal Speeds"
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, Mai 2006
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