Wie
oft schreibt man, ein Künstler sei "einzigartig"? Vermutlich
zu oft, und dabei wäre es besser, solche Superlative aufzuheben
für solche, die sie verdienen: Paolo Conte beispielsweise. Denn
so lange man auch überlegt, es will einem einfach niemand einfallen,
mit dem er, seine Art, seine Musik vergleichbar wäre - weder
in Italien noch darüber hinaus.
Wie
er allein am Flügel sitzt, die Augen fest geschlossen, den Mund
dicht ans Mikrofon gepresst, während seine tiefe, sonore Stimme
erklingt und seine Finger mit jugendlicher Leichtigkeit über
die Tasten fliegen - fast introvertiert wirkt er, und doch ist seine
Musik so vivace, so lebendig und leidenschaftlich, elegant
und unbezwingbar charmant. So präsentiert er seine Lieder nicht
nur auf seinen Studioveröffentlichungen, sondern vor allem auch
live.
Gut,
das ist für ihn, den bald 70-Jährigen, niemals gut genug.
Paolo Conte ist ein Perfektionist, der sich niemals mit Zweitklassigem
zufrieden geben würde. Das gilt vor allem für die Auswahl
seiner Begleitmusiker, die unter Contes gestrenger Regie zu einer
Bigband geformt werden. Schließlich reicht ihm die Andeutung
einer Handbewegung, und schon formiert sich die erlesene Schar von
Solisten zu einem Klangkollektiv der Extraklasse - und unversehens
ist er da, der typische Conte-Sound aus Jazz, Blues, Cabaret, Canzone
und italienischer Lebensart.
Paolo
Conte, der seine Karriere in den 1960ern als Songschreiber begann
(u.a. stammt Adriano Celentanos legendärer Hit "Azzuro"
aus seiner Feder), begann erst spät, für sich selbst zu
komponieren und zu texten. Zu seinem ersten eigenen Konzertin einem
zum Kulturzentrum umgewandelten Bahnhof in Verona kamen 1976 ca. 200
Besucher. Einige Zuhörer von damals waren vielleicht auch im
vergangenen Jahr wieder dabei, als Paolo Conte am 26. Juli 2005 wieder
in Verona gastierte, diesmal allerdings in der berühmten Freilicht-Arena
vor einer umwerfenden Kulisse von 12.000 Besuchern.
"Io
sono qui, sono qui a suonare" (Ich bin hier, bin hier um
zu singen), heißt es in einem seiner frühen Songs ("Alle
prese con una verde milonga"), und schon die Textzeile beschert
Conte den begeisterten Applaus seines Publikums. Man spürt, dass
es sich hier um einen ganz besonderen Abend handelt, auch für
Paolo Conte selbst, der in den vergangenen 30 Jahren in fast allen
bedeutenden Konzertsälen zwischen New York, Paris und Tokyo gastierte.
Doch
die Atmosphäre der Arena di Verona ist einzigartig wie der Künstler
selbst, und sie vermittelt sich selbst noch via DVD und CD. Auf beiden
Formaten wird das Konzert jetzt veröffentlicht. Es enthält
vierundzwanzig Songs von Paolo Conte, darunter viele alte ("Sotto
le stelle del Jazz", "Max", "Genova per noi",
"Via con me") und einige neuere Songs ("Sandwich man",
"Elegia"). Conte wird dabei wiederum von seiner angestammten
Band begleitet, die im Verlauf des Abends alle wenigstens einmal aus
dem Schatten des Meisters heraustreten (allen voran der fantastische
Gitarrist Daniele dall'Omo in "Diavolo rosso") und ihr ganzes
Können zeigen dürfen.
Paolo
Conte selbst verlässt sich ganz auf die Musik. Er ist Musiker,
kein Entertainer - und kein Mensch vieler Worte. Sein "grazie"
für den nicht enden wollenden Applaus hat fast etwas Schüchternes.
Also bleibt er lieber allein am Flügel sitzen, schließt
die Augen und presst den Mund ans Mikrofon, während die Finger
über die Tasten fliegen: "Via, via con me ..."
Und das Publikum antwortet: "It's wonderful, it's wonderful
- I dream of you ..."
Paolo Conte: "Live - Arena di Verona" wird als Doppel-CD
und DVD veröffentlicht. Die CD-Ausgabe enthält einen bislang
unveröffentlichten Titel auf Spanisch ("Cuanta pasión").
Die DVD ist mit reichhaltigem Bonusmaterial ausgestattet, darunter
ein Kurzfilm über die Vorbereitungen des Konzerts und ein Interview
mit Paolo Conte (Untertitel in D/E/FR/ES/IT/NL/PT).
© Michael Frost, 17. März 2006