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Hoffnung für Italien

 

Wenn Carmen Consoli im Albumopener ironisch "Viva l'Italia" ausruft und damit vor allem das korrupte politische System, die Volksverdummung durch eingeebnete Fernsehsender und einen offensichtlich testosterongesteuerten Ministerpräsidenten im Blick hat, dann wirkt das fast wie eine Antwort auf den diesjährigen Finalisten des San Remo-Festivals, das grauenhafte "Italia amore mio", dessen schwülstiger Text wie eine Auftragsarbeit aus dem Hause Berlusconi klingt.

In Wahrheit ist das Land zwischen der skandalösen Banalität der offiziellen, durch das Staatsfernsehen bestimmten Musikmaschine einerseits und den manchmal fast verzweifelt wirkenden Versuchen von Künstlerinnen und Künstlern, ihre Unabhängigkeit zu bewahren, zerrissen. Carmen Consoli gehört zu denjenigen, denen diese Gratwanderung immer noch hervorragend gelingt. Dass sie dabei auch kommerziell erfolgreich ist, macht durchaus Hoffnung, und dass Carmen Consoli ausgerechnet den zitierten Song "Mandaci una cartolina" für ihren eigenen Gastauftritt in San Remo auswählte, erst recht.

 Auf "Elettra", ihrem aktuellen Album, widmet sie sich verschiedenen Frauenschicksalen und spart dabei auch Themen wie sexuellen Missbrauch in der Familie nicht aus ("Lo zio" - Der Onkel). Für ihre Themen bedient sich Consoli in den musikalischen Traditionen des gesamten Mittelmeerraumes: "A finestra" singt sie, mit erstaunlich derber Stimmfärbung, auf Sizialianisch, auf "Marie ti amiamo" ist sie - übrigens im Duett mit Franco Battiato - auf Französisch zu hören, während die Arrangements arabisch klingen.

Melancholische Balladen wie "Col nome giusto", lässt sie, obwohl untermalt vom Orchestra Roma Sinfonietta, keineswegs in einem Meer von Geigen untergehen - Carmen Consoli hebt sich bei aller Eingängigkeit wohltuend vom Pathos und dem überproduzierten Pomp ihrer italienischen und internationalen Kolleginnen ab. Das gilt vor allem auch für die Single-Auskopplung "Non lontanto da qui", die beispielhaft steht für ihre reduzierten, häufig aus dem Jazz entlehnten Arrangements.

Videolink: Carmen Consoli "Non lontano da qui" / youtube

So hat sie eine eigene musikalische Sprache gefunden, die sie zu einer besonderen Erscheinung in der italienischen Musiklandschaft macht. Und so lange sie damit erfolgreich ist, so lange besteht für Italien noch Hoffnung.

 

© Michael Frost, 02.04.2010


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