Ein
leiser Trommelwirbel führt mitten in die alten Zeiten, er leitet
über zu den Klangfarben einer 30-er Jahre-BigBand. "The
House is haunted by the echo of your last goodbye" singt Holly
Cole als Eingangslied auf ihrem neuen, nunmehr achten Album.
Der
über 70 Jahre alte Song von Rose & Basil Adlam gibt den Sound
vor, in den die Stimme der kanadischen Jazzsängerin eingekleidet
ist. Es ist ein maßgeschneidertes musikalisches Gewand, es ist
ihr - vom New Yorker Produzenten Greg Cohen, - der mit David Byrne,
David Sanbourn und Tom Waits zusammenarbeitet - so genau auf den Leib
geschrieben worden, dass dies Album schlicht und einfach nur den Namen
der Sängerin trägt.
Zwar
reicht die stilistische Bandbreite ihres Repertoires von Cole Porter
über Irving Berlin zu Michel Legrand und Antonio Carlos Jobim,
aber diese Aufnahmen kommen nicht aus dem Gemischtwarenladen eines
beliebigen Schlager-Pop-und Jazz-Mix. Greg Cohen und sein Arrangeur,
der Pianist Gil Goldstein, haben eine klare Linie entwickelt, die
sich sowohl in den intimen als auch in den BigBand begleiteten Songs
behauptet.
Die
Bläser werden niemals süffig, im Ensemblespiel hochdifferenziert,
setzen sie beiläufig solistische Glanzpunkte - so etwa Lenny
Pickett am Tenorsaxophon in "Charade". Holly Cole, die mit
15 angefangen hat, Jazz zu singen, konzentriert sich derart genau
auf Stimmung, musikalischen Fluss und Sprachwitz ihrer Songs, dass
sie jede Form von Koketterie, von überzogenen Phrasierungen vermeidet.
So
wie sie Irving Berlins "Be Careful, it`s my heart" singt
- lediglich vom Pianisten ihres Trios, Aaron Davis, diskret begleitet
-, so setzt sie ihre Stimme durchgehend ein: Stets zurückgenommen,
eher leise, vorsichtig, fast zurückhaltend, jedes einzelne Wort
ernst nehmend, vermeidet sie jede Übertreibung und erreicht gerade
dadurch ein Maximum an Wirkung und Aussagekraft.
In
einem Schlagerfoxtrott aus den frühen 60-ern, im "Alley-Cat-Song",
der sie als Kind an "Fahrstuhlmusik" denken ließ,
findet sie etwas tief Geheimnisvolles, und da sie gleich zwei Cole-Porter-Songs
im Programm hat, schreibt sie selber sich einen eigenen Song im Cole-Porter-Stil:
ihr Liebeslied "Larger than Life" ist eine Hommage an den
Meister des ironischen Wortwitzes und der ebenso pointierten wie gefälligen
Melodie. So werden die Pyramiden und die griechischen Götter
raffiniert und lässig mit dem eigenen Lover-"Baby"
verbunden.
Holly
Coles Auswahl enthält hörbar einige ihrer Herzenslieder,
so etwa Jobims "Waters of March", vielleicht der dunkelste
dieser Songs, in dem - mit ausgefeiltem Sprachwitz - die heftigen
Schmerzen des Lebens und der Strom des Frühlings besungen werden.
Die Direktheit und Frische dieser Studio-Aufnahmen haben Holly Cole
und das von Greg Cohen gesammelte Ensemble durch eine einfache Regel
erreicht: Sie haben niemals mehr als zwei Takes aufgenommen.
Das
"Be Careful" wurde so zum musikalischen Programm des Albums.
Es ist die Grundaussage aller hier versammelten Songs, auch die der
ohrwürmigen 20-er Jahre-Nummer "Life is just a bowl of Cherries",
in der Holly Cole - in einem wunderbar zarten, transparenten Arrangement
- von Gitarre (Matt Munisteri), Klarinette (Lenny Pickett) und Posaune
(John Allred) begleitet wird. Darin heißt es: "Die süßen
Dinge im Leben/Sie sind dir nur geborgt/Wie kannst du also verlieren/
was dir niemals gehörte?"
Holly
Cole ist ein großartiges Album gelungen, bis hin zur bluesgesättigten
Schlussnummer, Irving Berlins "Reaching for the moon", ein
Song, der mit Akkordeon (Gil Goldstein) und Big Band unterlegt, fast
wie eine Trauermusik aus New Orleans klingt, aber niemals schwer wirkt.
So wie hier niemand einen Ton zu dick aufträgt, so ist auch der
Schmerz nur leise vernehmbar: Holly Cole lässt Lebensglück
und - leid ganz versteckt durchschimmern, sie schimmern durch die
alten Lieder, die klassischen Standards, die Schlager, die bei dieser
Sängerin alles Banale verloren haben.
©
Michael Frost, 04.02.2007